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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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PÜNKTLICH . Doni hatte nur Handgepäck, und so hastete er unverzüglich los, um den Zug zu erreichen, der den Flughafen mit dem Hauptbahnhof verband. Er würde in wenigen Minuten abfahren. Am Fahrkartenautomaten stand er hinter vier Jugendlichen mit riesigen Rucksäcken. Sie kämpften mit den Knöpfen und fluchten auf Spanisch.
    Im Zug versuchte er, nicht nachzudenken und sich auf den langweiligen Nachmittag einzustellen. Den restlichen Tag verbrachte er damit, dem Plan zu folgen, den er sich zurechtgelegt hatte. Er kam im Stadtzentrum an, brachte sein Gepäck ins Hotel, das in der Via Catalana lag, unweit der Synagoge, und nahm sich ein Taxi zur Piazza Venezia.
    «Aber das ist doch bloß ein Katzensprung», sagte der Taxifahrer.
    «Egal», sagte Doni. «Mir ist heiß, und ich will mich nicht anstrengen.»
    Der wahre Grund war jedoch, dass er Rom hasste und nicht zu Fuß durch die Stadt gehen wollte. Gott oder sonst wer hatte Rom mit Schönheit geschlagen: eine hinreichende Entschuldigung, mit der sich jedes Übel rechtfertigen ließ, und somit eine Bestimmung zu ewiger Infantilität. Er hasste Roms Pracht, hasste die nahezu physische Ausdehnung der Zeit, die er hier jedes Mal spürte. Am stärksten hasste er jedoch die arglose, oberflächliche Fröhlichkeit der Römer, ihre grenzenlose Unbeschwertheit. Rom war ein Synonym für Italien: Eigentlich sind doch alle ganz in Ordnung, und eigentlich sind wir vor einem Teller Spaghetti doch alle gleich, wozu sich also aufregen?
    Als er vor neun Jahren das letzte Mal in der Hauptstadt gewesen war, hatte er sich vorgenommen, nie wieder herzukommen, es sei denn im Ausnahmefall. Doch wie es aussah, war dies hier ein Ausnahmefall.
    Er kam zu spät in den Tagungssaal, der in einem alten päpstlichen Palast lag. Er setzte sich in eine der hintersten Reihen und nickte zwei Kollegen zu, die er vom Sehen kannte, dann begann die Quälerei.
    Die ersten drei Vorträge waren fast schon skandalös. Unfähige Redner, die philosophische Begriffe mit einer blassen Ahnung von Jura vermengten – einer von ihnen zitierte sechsmal hintereinander Nietzsche.
    Doni war müde und mit den Nerven am Ende, doch er musste durchhalten. Er nutzte die Pause, um sein Gesicht unter den Wasserhahn zu halten und zusammen mit dem Schweiß auch ein wenig von seiner Unruhe wegzuwaschen.
    Überraschenderweise war der letzte Beitrag recht interessant. Ein junger Wissenschaftler aus Modena sprach über die Notwendigkeit, den Begriff wahr anstelle des Begriffs richtig zu verwenden. Moral und Ermittlung hätten nichts miteinander gemein, genauso wie der bloße Fakt von sechs Millionen ermordeten Juden im Grunde kein Hinweis auf sonst noch etwas sei: Die Untersuchungen müssten sich darauf beschränken, die exakte Zahl zu ermitteln, und dürften keine weiteren Schlüsse ziehen.
    An dieser Stelle wurde hier und da gehustet, und auch Doni runzelte die Brauen angesichts dieser These. Der Redner kam allen Einwänden zuvor, indem er abschließend erklärte, seine Theorie sei zwar recht traurig, doch Traurigkeit sei nun einmal eine dem menschlichen Tun innewohnende Komponente.
    Nach der Tagung begrüßte Doni zwei Kollegen aus Rom und die örtlichen Repräsentanten, schüttelte noch einige Hände, wechselte eine Viertelstunde lang hier und da ein paar Worte, richtete Paolis Grüße aus und bemerkte, als sich die Hälfte der Teilnehmer den Erfrischungen hinter einer Glaswand in dem eleganten Hof zuwandte, dass seine Aufgabe erledigt war.
    Er kehrte ins Hotel zurück, duschte, wechselte das Hemd und verließ das Zimmer. Er beschloss, das Wagnis einzugehen, in Trastevere zu Abend zu essen. Er war zu müde, um der Stadt zu widerstehen, und zu sorgenvoll, um schon ins Bett zu gehen.
    Er ging in Richtung Norden, bog auf den Ponte Garibaldi ab und verlief sich in dem alten Stadtviertel. Es war noch so, wie er es in Erinnerung hatte. Rom schien auf seine ganz eigene Art unveränderlich zu sein, so als würde die Stadt des neuen Jahrtausends noch ein anderes Jahrtausend verbergen, ein älteres, immer gleiches Herz, das nichts mit der Zurschaustellung der Ruinen zu tun hatte, nein, es war etwas Schlichteres, Mittelalterliches, etwas, das mit dem Begriff der Plebs, des Volkes, zu tun hatte.
    Doni fand ein Restaurant, das ihm weniger touristisch zu sein schien als die anderen, und bestellte Spaghetti alla carbonara und einen halben Liter Rotwein. Der Wein war sauer, doch die Pasta ausgezeichnet, Doni genehmigte sich auch einen Kaffee

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