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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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in die Tasche. Der Tiber war eine schwarze Masse in der Nacht.
    In seinem Alkoholnebel vermutete Doni, dass dieses Mädchen über eine Reihe vorgefertigter Sätze verfügte, je nach Alter, Geschlecht, Tageszeit und Gesicht. Sie hatte sie im Kopf und wandelte sie dann hier und da nur leicht ab. Er rechnete aus, dass sie in zwei Minuten zwei Euro netto verdient hatte, in einer Zeit also, die seine zehntausend Kilometer entfernte Tochter benötigte, um lediglich den Anfang einer komplizierten, schrecklichen Gleichung aufzuschreiben, oder um ein Buch im Internet zu suchen oder um einen Brief an einen Dozenten zu adressieren, mit dem sie zusammenarbeiten wollte.
    Da klingelte sein Mobiltelefon.

28
    AUF DEM RÜCKFLUG saß Doni neben einem fetten, jungen Mann, der unentwegt in die Luft hustete, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Die Fleischmasse bewegte sich synchron mit jedem Husten. Nicht einmal in einer Höhe von Tausenden Metern verlor die Welt ihre Fähigkeit, dem, der sie durchquerte, Schaden zuzufügen.
    Man hatte Mohamed ermordet in einer Wohnung im Viale Monza aufgefunden. Elenas Stimme am Telefon war brüchig vor Sorge und Angst gewesen.
    Doni riss die Packung Salzgebäck auf, die die Stewardess ihnen gebracht hatte, und versuchte, etwas davon zu essen. Sein fetter Nachbar hustete immer noch, wieder und wieder.
    Bisher war es so gewesen, als wäre Doni nur mit den Füßen ins Meer gegangen und hätte sich dicht am Ufer gehalten. Als hätte er die Temperatur eines unbekannten Gewässers genossen, vielleicht auch das Kribbeln von etwas, das er schon seit geraumer Zeit nicht mehr gespürt hatte, während er sich darauf beschränkte, den Horizont zu betrachten.
    Doch nun war alles anders. Es ging nicht mehr um Momente der Schwäche, er konnte sich nicht mehr mit seinem Alter oder der Angst vor der Zukunft herausreden.
    Nun gab es einen Toten.
    Gewiss, das konnte auch ein absurder Zufall sein, doch Doni war davon überzeugt, für diesen Tod verantwortlich zu sein. Der wahre Schuldige und die bislang Unbekannten mussten von der Unterredung erfahren haben. Und sie hatten den einzigen Menschen aus dem Weg geräumt, der hätte reden können, eben weil er sich dazu entschlossen hatte zu reden. Sie waren vorbereitet, und sie waren gefährlich.
    Doni sah den fetten Kerl an, der seinen Blick ausdruckslos erwiderte. Die ganze Flugzeugkabine bebte wie ein lebender Organismus. Vielleicht verfolgten sie ihn ja? Oder vielleicht verfolgten sie Elena. Und seit wann?
    Er umklammerte die Armlehnen.
    Er hatte nach Fakten gesucht, und die Fakten hatten ihn eingeholt.
    Als er in Linate ausstieg, regnete es. Ein feiner, dichter Regen, den Doni einen Moment betrachtete, bevor er sich ein Taxi nahm. Er stieg in den Wagen, nannte die Adresse des Justizpalastes und rief Salvatori an.
    «Ciao, Michele.»
    «Roberto, wie geht’s?»
    «Ich bin gerade aus Rom zurück. Hör mal, entschuldige, dass ich gleich zur Sache komme, aber du musst mir einen Gefallen tun. Ich habe gehört, in der Gegend von Cascina Gobba wurde ein Ägypter umgebracht.»
    «Ja, das war gestern Abend. Wieso interessiert dich das denn?»
    «Nicht so wichtig, ich brauche die Details.»
    «Na ja, ich weiß nicht gerade viel darüber.»
    «Tu mir einen Gefallen, frag den zuständigen Staatsanwalt und sag mir Genaueres, sobald ich da bin.»
    «Ja, gut. Aber …»
    Doni beendete das Gespräch und ließ den Kopf gegen die Rückenlehne fallen. Der Regen prasselte unaufhörlich auf das Autodach.
    «Ein anstrengender Morgen?», fragte der Taxifahrer.
    «Wie bitte?»
    «Sie sehen müde aus.»
    «Ja. Ja, ich bin hundemüde.»
    Der Chauffeur nickte verständnisvoll.
    «Wissen Sie, was ich tue, wenn ich mich so fühle?»
    «Nein. Was denn?»
    «Ich halte irgendwo an, an einem schönen, grünen Fleckchen, und spiele Klarinette.»
    «Klarinette.»
    «Ja, das war schon immer meine große Leidenschaft.»
    «Es ist ein schönes Instrument.»
    «Und völlig unterschätzt, das können Sie mir glauben. Jedenfalls, wenn ich müde bin oder niedergeschlagen oder so – und das kommt durchaus vor, wenn man den ganzen Tag mit Menschen zu tun hat –, stelle ich den Motor ab und mache Musik. Und wenn ich dann gerade gerufen werde, je nun, wen kümmert’s. Für eine Viertelstunde bin ich für niemanden zu sprechen.»
    «Das klingt gut», sagte Doni.
    Der Taxifahrer lächelte ihm im Rückspiegel zu.
    «Das sollten Sie auch mal probieren.»
    «Klarinette zu spielen?»
    «Nein, den Motor

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