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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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und einen Grappa, und dann noch einen Grappa. Rings um ihn her streiften und zerstreuten sich Schwärme von jungen Leuten, die aufgeregt in den Abend zogen. Es war Donnerstag, doch es schien Samstag zu sein, überall in den Straßen waren Stimmen und Rufe, Flaschenklirren und Musik zu hören.
    Doni stand auf und ging nur einhundert Meter weiter zu einer Bar an der Piazza di Santa Maria in Trastevere. Draußen standen zwei Tische, und einer davon war frei. Ohne nachzudenken, setzte sich Doni, bestellte einen Weinbrand, und immer noch ohne nachzudenken, fragte er den Kellner, ob er eine Zigarette für ihn habe. Der junge Mann zog eine Schachtel hervor, bot ihm eine an und gab ihm Feuer. Genussvoll inhalierte Doni den Rauch und betrachtete die Piazza.
    Die Luft war leicht. Ein Windhauch schlüpfte in die Straßen des Viertels und streifte sacht Fußknöchel und Handgelenke. Die untergehende Sonne überließ der Dämmerung das Feld. Am Himmel blinkten drei Sterne auf.
    Auf der Piazza saßen viele Leute auf den Stufen am Brunnen, ließen Bierflaschen kreisen und lachten. Ein Penner begann, drei Stoffbälle in die Luft zu werfen, doch sie fielen ihm zweimal hintereinander herunter. Eine kleine Gruppe zog ihn auf, und beleidigt wünschte er sie zum Teufel. Doni lächelte. War es wirklich so einfach?
    Er musste wieder an Khaled und diese ganzen, verdammten Nordafrikaner denken und beschloss am Ende, gar nichts zu unternehmen. Was hätte er auch tun sollen? Es gab keine Beweise, nur Worte, und er hatte seinem Amt gegenüber eine Verantwortung. Wie blöd, dass er nicht früher daran gedacht hatte. Die Sache war ihm über den Kopf gewachsen, weiter nichts.
    Die Zigarette war aufgeraucht und der Weinbrand getrunken. Doni bestellte noch einen und fühlte sich weit weg von allem, in einem kleinen, geschützten Raum. Der Kellner ließ noch eine Zigarette und auch ein Feuerzeug für ihn auf dem Tisch liegen und zwinkerte ihm zu. Doni rauchte, und froh über seine Entscheidung schaute er dem Treiben auf der Piazza zu. Gerechtigkeit ist eine Sache Gottes, wir aber müssen uns darauf beschränken, nach menschlichen, fehlbaren Normen zu handeln. Wir leben zwischen Trümmern, liebe Elena, dachte er. Und aus den Trümmern müssen wir das Beste machen.
    Als er aufstand, um zu zahlen, stellte er fest, dass die Schönheit egal war. Er war betrunken. Ein betrunkener Oberstaatsanwalt! Er ging in den Waschraum, trank etwas Leitungswasser und ließ es sich kalt über die Handgelenke laufen. Dann ging er hinaus und machte sich auf den Weg zum Hotel. Er musste sich hinlegen.
    Auf der Brücke stand ein junges Mädchen hinter einem Verkaufstisch. Auf dem Hinweg hatte er sie nicht bemerkt, oder war das vielleicht eine andere Brücke? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Das Mädchen mochte zwanzig Jahre alt sein, wirkte sauber und kultiviert, und schien Ausländerin zu sein. Auf einem Schild vor dem Tisch stand:
    ICH LESE DAS GEDICHT,
    DAS SIE IN SICH TRAGEN
    –
    2 EURO
    Davor stand eine kleine Schlange. Doni blieb stehen, und während er noch überlegte, was zu tun sei, und dabei seine Taschen durchwühlte, war die Reihe bereits zusammengeschrumpft, und er stand vor dem Mädchen.
    «Guten Abend», sagte sie. «Möchten Sie ein Gedicht?»
    Ein leichter, römischer Akzent. Sie war eine Einheimische.
    «Ja», sagte Doni.
    «Wenn Sie wohl so freundlich wären, sich ein wenig zu mir herunterzubeugen, dann könnte ich Ihr Gesicht besser sehen.»
    «Mein Gesicht?»
    «Genau. Ich muss darin lesen.»
    «Verstehe.»
    «Und dann bräuchte ich noch Ihren Namen.»
    «Roberto», sagte Doni und beugte sich zu ihr, wie um sie zu küssen. Er hoffte, sie würde seine Fahne nicht bemerken.
    «Danke, Roberto.» Sie lächelte. Dann sah sie ihm fest in die Augen. Von dort glitt ihr Blick langsam zu seiner Nase hinunter und weiter zum Mund, um dann wieder nach oben zu schweifen und Haaransatz und Ohren und erneut die Augen zu mustern. Die Inspektion dauerte ungefähr eine Minute. Das Mädchen nahm einen Zettel, von einem einfachen Notizblock, und schrieb rasch einige Zeilen.
    «Bitte sehr.» Sie gab Doni den Zettel. «Das macht zwei Euro.»
    Doni gab ihr ein Zwei-Euro-Stück und ging mit dem Zettel in der Hand weiter. Erst als er das andere Flussufer erreicht hatte, las er ihn.
    Ich wartete unzählige Nächte auf den Tag
    Unzählige Nächte suchte ich ihn
    Doch als ich die Morgenröte fand,
    vergaß ich die Farbe des Dunkels.
    Er faltete das Blatt zusammen und steckte es

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