Im Namen der Gerechtigkeit - Roman
er sich gebaut hatte, ein heiler Raum, leer und einsam.
Bevor sie sich voneinander verabschiedeten, sagte Elena: «Vergessen Sie nicht. Es gibt keine Helden. Und das Böse hat nichts mit Recht und Gesetz zu tun. Das Böse ist nichts als Leiden. Das ist alles.»
«Das klingt sehr evangelisch», sagte Doni, der nicht wusste, was er sonst sagen sollte, und nur noch wegwollte.
«Ja, das ist mein Evangelium.»
«Und was wäre dann das Gute, in dieser Theorie?»
«Rettung», sagte sie und verschränkte die Arme. «Rettung für jeden, der sie verdient.»
26
ZWEI TAGE NACH dem Treffen mit Mohamed kaufte sich Doni im Plattenladen in der Via Vivaio drei CD s. Im Schaufenster hing noch immer das Schild Räumungsverkauf, und die Frau mit der schwarzen Plastikbrille saß wie üblich am Tisch vor dem Computer. Sie grüßte ihn nicht. Doni entschied sich für eine alte Edition mit drei Mahler-Sinfonien, für den ersten Teil der Händel-Suiten (gespielt von Gawrilow und Richter) und schließlich für Led Zeppelin I .
Bevor er bezahlte, trat er unter dem Vorwand, sich die wenigen vorhandenen Opern- CD s anzusehen, hinter den Tisch und spähte der Frau über die Schulter. Er sah, dass sie auf den Seiten einer Kontaktbörse surfte. Er konnte den Anfang der Nachricht lesen, die sie gerade schrieb: Du scheinst mir ja auch ein ganz heißer Typ zu sein .
Er bezahlte die CD s und ging. Wieder schaute er bei Peck vorbei, kaufte frischen Fisch, piemontesisches Stangenbrot und eine Dose Entenpastete. Er schlenderte gemächlich nach Hause. Die beiden Plastiktüten schlugen ihm gegen das rechte Knie.
Claudia wartete schon auf ihn, sie saß auf dem Sofa und las eine Frauenzeitschrift. Doni fing ein paar Takte der Hintergrundmusik auf – in kaum hörbarer Lautstärke, wie sie es gernhatte.
«Debussy?», fragte er.
«Chopin», sagte Claudia und ließ die Zeitschrift auf den Tisch fallen.
«Sag bloß.»
«Du musst noch ein bisschen üben, mein Lieber. Was hast du eingekauft?» Sie wies auf die Tüten.
«Nur ein paar Kleinigkeiten.»
Sie kam ihm entgegen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Doni ging in die Küche und zog sich das Jackett aus. Er nahm eine Flasche Rotwein – einen leichten Trientiner – und goss zwei Gläser ein. Seines trank er in einem Zug aus und füllte es erneut. Er verharrte einen Moment auf den Küchenschrank gestützt. Im Spülbecken waren ein schmutziger Teller und eine Gabel. Er nahm noch einen Schluck und ging mit den zwei Gläsern in der Hand ins Wohnzimmer zurück.
Claudia ordnete die Kissen auf dem Sofa. Er gab ihr den Wein, sie nahm ihn mit einer ironischen Verbeugung und führte das Glas an die Lippen. Doni fasste sich ein Herz.
«Claudia, hör mal, ich muss mit dir sprechen.»
«Was ist denn los?», fragte sie lächelnd.
«Ich brauche deinen Rat.»
«Tatsächlich.»
«Ja, tatsächlich. Hör mir zu.»
Doni schaltete die Musik aus. Debussys Klänge brachen ab. Er setzte sich, stellte das Glas auf den Tisch und erzählte seiner Frau, womit er gerade beschäftigt war. Er erzählte ihr, dass er auf Betreiben einer Journalistin mit einer Art Paralleluntersuchung des Falles begonnen hatte, an dem er zurzeit arbeitete. Einige Details ließ er weg – darunter den Abend im Bocciaklub –, und er verschwieg auch das Treffen mit Mohamed, doch er schilderte ihr die ganze Situation und vor allem den Konflikt, der ihn quälte. Es war leichter, als er gedacht hatte, das wunderte ihn.
«Was hältst du davon?», fragte er schließlich.
Sie hatte nicht einen Moment aufgehört, die Brauen zu runzeln. Doch als sie antwortete, tat sie es mit einfachen, verständnisvollen Worten. Als könnte sie sich vollkommen in ihn hineinversetzen, wie die Gefährtin eines ganzen Lebens.
«Ich denke, du solltest das alles sein lassen, Roberto.»
«Natürlich, ich weiß. Aber was, wenn der Junge unschuldig ist?»
«Darüber hast du nicht zu befinden. Du weißt, ich kenne mich in deinem Beruf nicht so aus, doch mir scheint, dass nicht du das zu entscheiden hast.»
«Ja, aber wenn ich nun glaube, dass er unschuldig ist?»
«Was spielt es denn für eine Rolle, was du glaubst?»
Doni akzeptierte den Einwand.
«Stimmt, ich habe eigentlich keinen Grund, vom üblichen Kurs abzuweichen.»
«Genau.» Sie beugte sich vor und nahm seine Hände. Ein weiteres Stückchen Verständnis, das Donis Einsamkeit mit Wärme füllte.
«Das ist nicht dein Problem, Roberto. Das ist nicht unser Problem.»
«Ja.»
«Ich weiß nicht, was du
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