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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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entdeckte, die schon in der nächsten Sekunde von Erleichterung und schließlich von Jeromes normaler selbstgefälliger Gelassenheit verdrängt wurde. Jerome hatte nicht dieselben Überlegungen angestellt wie Cadfael, sonst wäre er nicht so ruhig gewesen. Denn Bruder Columbanus hatte soeben in selbstvergessener Unschuld die Gewißheit erschüttert, daß Jerome den vergangenen Tag in St. Winifreds Kapelle verbracht hatte, um für einen glücklichen Ausgang der Pilgerfahrt zu beten. Sein einziger Zeuge hatte während der ganzen Zeit tief und fest geschlafen und sicher nichts gemerkt, falls sich sein Bruder entfernt hatte.
    »Mein Sohn«, sagte Prior Robert in einem nachsichtigen Ton, den er Bruder John gegenüber sicher nicht angeschlagen hätte, »deine Verfehlung ist menschlich, und die Schwachheit des Fleisches liegt in unserer Natur. Jetzt machst du deine kleine Sünde wieder gut, indem du Bruder Jerome verteidigst. Warum hast du uns das nicht schon gestern erzählt?«
    »Wie konnte ich, Vater? Bevor wir von Rhisiarts Tod erfuhren, ergab sich keine Gelegenheit dazu. Und hinterher - hätte ich deine Seele nach diesem Schock noch mehr belasten sollen? Ich hob mir mein Geständnis für das Kapitel auf, denn dies ist der Zeitpunkt, wo ein fehlgeleiteter Bruder seine Strafe entgegennehmen und sich vor allen anderen erniedrigen sollte. Und so erniedrige ich mich denn, da ich des Berufs, den ich gewählt habe, nicht würdig bin. Sag, welche Buße du mir auferlegst, denn ich sehne mich nach Bestrafung.«
    Prior Robert öffnete den Mund, um sein Urteil zu sprechen - ein mildes Urteil, denn diese bittere Reue entwaffnete ihn. Doch da klapperte der Holzriegel des
    Gatters und erregte die Aufmerksamkeit der Mönche. Vater Huw eilte herbei, mit noch zerzausterem Bart als sonst, die Augen rot umrandet nach der schlaflosen Nacht, doch seine Miene wirkte ruhig und gefaßt.
    »Vater Prior«, sagte er und blieb vor den Mönchen stehen, »soeben komme ich von einer Besprechung, an der Cadwallon, Rhys, Maurice und alle wichtigen Männer dieser Gemeinde teilgenommen haben. Dies war die beste Gelegenheit, trotz des traurigen Anlasses, denn sie kamen alle ins Haus Rhisiarts, um ihn zu betrauern. Alle wissen, wie er gestorben ist und daß sein Schicksal zuvor prophezeit...«
    »Da sei Gott vor«, unterbrach ihn der Prior hastig, »daß ich einen Menschen mit dem Tode bedroht haben soll. Ich sagte nur, die heilige Winifred würde sich an dem Mann rächen, der sich ihren Wünschen widersetzt.«
    »Doch als er tot war, erklärtest du, dies wäre die Rache der Heiligen. Das haben alle gehört - und die meisten glauben es. Ich nutzte die Gelegenheit, noch einmal mit den Männern über die Sache zu sprechen. Sie wollen nichts gegen den Willen des Himmels tun, ebensowenig wollen sie den Benediktinerorden und das Kloster von Shrewsbury beleidigen. Nach der gestrigen Tragödie wollen sie die Gemeinde von Gwytherin nicht mehr gefährden. Ich bin beauftragt, euch mitzuteilen, daß sie sich nicht mehr gegen eure Pläne stellen wollen. Die Reliquien der heiligen Winifred gehören euch, und ihr könnt sie mitnehmen.«
    Prior Robert holte tief Atem, in freudigem Triumph, und vergaß augenblicklich seine Absicht, Columbanus eine Strafe aufzuerlegen, mochte sie auch noch so geringfügig ausgefallen sein. Der junge Bruder, der immer noch im Gras kniete, sah strahlend zum Himmel auf und hob dankbar die Hände. Irgendwie gelang es ihm, so auszusehen, als hätte er diese glückliche Wende ganz allein herbeigeführt, indem er den Schaden, der durch seine fleischliche Schwäche entstanden war, durch seine tiefempfundene Reue kompensiert. Bruder Jerome, ebenso fest entschlossen, den Prior und den Priester mit seiner Frömmigkeit zu beeindrucken, breitete die Arme aus und intonierte ein lateinisches Gebet, um Gott und alle Heiligen zu lobpreisen.
    »Ich bin sicher«, sagte der Prior salbungsvoll, »daß uns die Bewohner von Gwytherin niemals beleidigen wollten und daß sie jetzt einen weisen Entschluß gefaßt haben. Darüber freue ich mich, sowohl um ihretwillen als auch im Namen meines Klosters, denn nun können wir unser Werk in dieser Gemeinde vollenden und dann im schönsten Einvernehmen mit deinen Pfarrkindern von dannen ziehen. Ich danke dir, Vater Huw, daß du uns diese wunderbare Nachricht überbracht hast. Du hast Gwytherin einen guten Dienst erwiesen.«
    »Allerdings muß ich euch sagen«, fügte Huw seufzend hinzu, »daß die Leute gar nicht

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