Im Namen der Heiligen
hätte. Doch da war er gerade rechtzeitig erschienen, um Cadfael an einem Spaziergang zu Beneds Schmiede zu hindern, wo man die Neuigkeiten des Tages austauschen und einen Krug Wein teilen wollte. Und es schien Prior Robert keineswegs zu stören, daß er seine Vigilie nun nicht beginnen konnte.
»Bruder Cadfael, dies ist Griffith ap Rhys, Prinz Owains Amtmann in Rhos. Cadwallon schickte ihm einen Boten, um ihn über Rhisiarts Tod zu verständigen. Nun möchte ich meine Aussage machen und mit ihm sprechen, was geschehen soll. Er will alle befragen, die als Zeugen dienen könnten, doch er verlangt, daß ich als erster Bericht erstatte. Deshalb mußte Bruder Richard ohne mich in die Kapelle gehen.«
Jerome und Columbanus hatten soeben aufbrechen wollen, um sich in Cadwallons Haus zur Ruhe zu begeben, waren jedoch pflichtschuldigst geblieben, als sie die Neuigkeiten gehört hatten. »Ich werde dich in der Kapelle vertreten, Vater Prior«, schlug Jerome devot vor, vermutlich in der Überzeugung, daß man sein Angebot ablehnen würde.
»Nein, du hast bereits eine schlaflose Nacht hinter dir.« (Wirklich? Angesichts der dunklen Kapelle konnte man da nicht so sicher sein, selbst wenn Vater Huw äußerst mißtrauisch gewesen wäre. Und Jerome neigte nicht dazu, sich grundlos anzustrengen.) »Du brauchst deine Ruhe.«
»Ich würde sehr gern deinen Platz einnehmen, Vater Prior«, erbot sich Columbanus ebenso eifrig.
»Du bist morgen dran. Hüte dich davor, dir zuviel abzuverlangen, Bruder - hüte dich vor dem Hochmut, der sich als Demut tarnt! Nein, Bruder Richard wird die Vigilie heute nacht allein abhalten. Ihr beide werdet warten, bis ihr eure Aussagen machen und dem Amtmann erzählen könnt, was ihr vorgestern getan und gesehen habt, dann sollt ihr schlafen gehen.«
Es war eine lange, ermüdende Unterredung, die Bruder Cadfael sehr anstrengte. Er gab zum größten Teil seine eigene Version von der Wahrheit wieder - nicht, indem er die Aussagen der anderen falsch ins Walisische übersetzte, sondern indem er seine eigene Meinung über alles, was im Wald mit Rhisiart geschehen war, hinzufügte. Er verschwieg nichts von Roberts Erklärungen, aber er unterschied zwischen Tatsachen und Mutmaßungen, zwischen Beobachtungen und den Schlüssen, die gezogen wurden. Wer von den anderen konnte schon Walisisch genug, um ihm dies vorzuwerfen, abgesehen von Griffith ap Rhys. Und dieser erfahrene, skeptische Beamte erwies sich als aufmerksamer Zuhörer mit rascher Auffassungsgabe, der imstande war, Gefühle und Beweggründe klar zu erkennen. Immerhin war er ein eingefleischter Waliser, und bei dieser Sache ging es um einen walisischen Körper und eine walisische Seele. Nachdem er Columbanus und Jerome verhört hatte, diese beiden getreuen Beobachter, deren einer fatalerweise dazu neigte, die Ausübung seiner Pflichten zu verschlafen (obwohl weder der Prior noch die anderen Mönche dieses Versäumnis erwähnten!), begann Cadfael zu glauben, daß er sich auf die Vernunft des prinzlichen Amtmannes verlassen konnte. Offenbar war es überflüssig gewesen, so viele von seinen Erkenntnissen zu verschweigen. Nun, vielleicht war es so am besten gewesen. Was er nun am dringendsten brauchte, war Zeit, und er würde einen oder zwei Tage gewinnen, während sich Griffith in der Gemeinde umhorchte, so daß er seine eigenen Nachforschungen zu Ende führen konnte. Die öffentliche Gerechtigkeit schürfte nicht allzu tief, aber sie registrierte, was von selbst an die Oberfläche drang, und zog daraus die entsprechenden Konsequenzen. Ein gelegentlicher Zweifel war der Preis, den sie für eine schnelle Abwicklung amtlicher Prozeduren und ruhige, geordnete Verhältnisse zahlen mußte. Aber Cadfael war entschlossen, solche Zweifel nicht zuzulassen, sollten sie Engelard oder Bruder John betreffen. Nein, da stellte er seine Nachforschungen lieber auf eigene Faust an, um dann dem Amtmann und dem Prinzen den abgeschlossenen Fall zu präsentieren.
Am nächsten Morgen betrat Sioned die Kapelle. Sie konnte nichts anderes tun, als Bruder Richard, diesen großen, etwas schwerfälligen, freundlichen Mann, der stets nach Ruhe und Harmonie strebte, ebenfalls zu bitten, ihrem Vater zu vergeben. Bereitwillig legte er seine Hand auf Rhisiarts Herz und ging dann davon, ohne zu ahnen, von welchem Verdacht er sich befreit hatte.
»Ich habe dich vermißt«, sagte Bened zwischen der Morgenmesse und dem Mittagessen. »Patrig besuchte mich, und wir sprachen von jenen alten
Weitere Kostenlose Bücher