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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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aufeinander ein, sie in Walisisch, er in
    Englisch, weil sie sich einfach nicht mehr zurückhalten konnten, und der eine sagte Dinge, die der andere erst an irgendeinem fernen Tag verstehen würde - wenn auch der Tonfall einiges verriet, eine zarte, schüchterne Zuneigung. Und so waren die beiden Monologe trotz allem ein Meinungsaustausch, spendeten ein wenig Trost.
    Gelegentlich - wenn sie es auch nicht ahnten - beantwortete der eine sogar die Fragen des anderen.
    »Ich möchte wissen, warum du ins Kloster gegangen bist - welche Frau die Schuld daran trägt«, sagte Annest leise und zögernd. »Sioned und ich fragen uns immer wieder, was einen Burschen wie dich zu einem solchen Schritt bewogen haben könnte.« Hätte er die walisische Sprache beherrscht, wären ihr solche Worte niemals über die Lippen gekommen.
    »Warum habe ich mir jemals eingebildet, daß Margery eine so atemberaubende Schönheit ist?« wunderte sich John. »Warum war ich so unglücklich, als sie mich abwies? Damals hatte ich noch keine wahre Schönheit gesehen - damals kannte ich dich noch nicht.«
    Annest seufzte auf. »Wer immer sie auch war - sie tat uns allen einen schlechten Dienst, als sie dich ins Kloster trieb.«
    »Lieber Gott, wenn ich mir vorstelle, daß ich sie heiraten wollte! Wenigstens hat sie mir mit ihrem Nein einen großen Gefallen getan. Jetzt steht nur eine Mönchskutte zwischen dir und mir - keine Ehefrau.« Und dies war der Augenblick, wo ihm zum erstenmal der verwirrende Gedanke kam, daß er der Fessel seines Gelübdes möglicherweise entrinnen könnte. Der Gedanke veranlaßte ihn, das Gesicht, das dem seinen so nahe war, noch genauer zu betrachten. Sie hatte glatte runde Wangen wie Apfelblüten, feingezeichnete Züge, Augen, die wie frisches Quellwasser in der Sonne glänzten, wenn es kristallklar über blankpolierte Kiesel fließt...
    »Grämst du dich immer noch wegen dieser Frau?«flüsterte Annest. »Das muß eine eitle dumme Pute gewesen sein, sonst hätte sie erkannt, was für ein wunderbarer Mann du bist.« Ja, er war in der Tat sehr anziehend - ein gutgewachsener, hübscher gutmütiger Bursche mit langen kräftigen Beinen, großen geschickten Händen und dichtem roten Lockenhaar... Das Mädchen, das geglaubt hatte, es wäre zu gut für ihn, mußte eine Närrin gewesen sein. »Ich hasse sie!« stieß Annest hervor und neigte sich unwillkürlich noch näher zu ihm.
    Die Lippen, die ihn mit sanften, wenn auch unverständlichen Worten betörten, waren kaum noch von den seinen entfernt. Und in seiner Verzweiflung beschloß er bei einer Sprache Zuflucht zu suchen, die keinen Dolmetscher brauchte. Er hatte kein Mädchen mehr geküßt, seit Margery, die Tochter des Tuchhändlers, ihm den Laufpaß gegeben hatte, nachdem ihr Vater Amtmann von Shrewsbury geworden war. Aber anscheinend hatte er nicht vergessen, wie man das machte, und Annest schmolz in seinen Armen dahin, erweckte Gefühle, die weitaus besser zu ihm paßten als jenes viel zu hastig abgelegte Gelübde. »O Annest«, hauchte Bruder John, dem brüderliche Empfindungen nie fremder gewesen waren als in dieser Minute, »ich glaube - ich liebe dich.«
    Bruder Cadfael und Bruder Columbanus gingen durch den Wald zur Kapelle, um die dritte Vigilie abzuhalten. Der Abend war mild, trotz des bewölkten Himmels, und unter den Bäumen färbte sich das Licht dunkelgrün. Bis zum letzten Augenblick war es möglich erschienen, daß Prior Robert, der seine auferlegte Pflicht versäumt hatte, beschließen könnte, diese letzte Nacht ebenfalls in der
    Kapelle zu verbringen. Doch er hatte nichts davon gesagt. Und Cadfael begann sich zu fragen, ob dieses lange Gespräch mit dem Amtmann wirklich notwendig gewesen war oder ob der Prior es vielmehr als eine willkommene Gelegenheit betrachtet hatte, der Nachtwache und der Konfrontation mit Sioned am nächsten Morgen zu entrinnen. Dies wäre nicht unbedingt ein Schuldbeweis, abgesehen von der Schuld, sich unversöhnlich zu zeigen, ohne Rhisiart die verzeihende Geste in Gegenwart seiner Tochter verweigern zu müssen. Denn welche Tugenden Robert auch immer besitzen mochte - Demut oder Großmut gehörten nicht dazu. Er war unerschütterlich in seiner Selbstgerechtigkeit, und wenn man ihn herausforderte, konnte man keine Nachsicht von ihm erwarten.
    »Auf dieser Pilgerfahrt und bei dieser Vigilie sind wir in der Tat privilegiert«, sagte Columbanus, dessen lange, anmutige Schritte mühelos mit Cadfaels schlingerndem Seemannsgang mithielten.

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