Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
fügte Mungo hinzu und gab ihm einen großen Umschlag. Rebus nickte und fragte, was das sei. »Die Demonstration in der Princes Street. Sie interessierte sich für die Frau am Rand der Menge. Ich konnte sie ein bisschen heranholen.«
Rebus öffnete den Umschlag. Die junge Frau mit den Zöpfen hielt die Kamera vor ihr Gesicht. Santal, so hieß sie doch, oder? Bedeutete Sandelholz. Rebus fragte sich, ob Siobhan den Namen bei Operation Sorbus hatte überprüfen lassen. Das Gesicht schien sich seiner Aufgabe zu widmen, der Mund hatte sich zu einer schmalen Linie zusammengezogen. Engagiert, vielleicht sogar Profi. Auf anderen Schnappschüssen hielt sie die Kamera von sich weg, den Blick nach rechts oder links gerichtet. So als hielte sie nach etwas Ausschau. Nicht das geringste Interesse an der Ansammlung von Schutzschilden. Keine Angst vor umherfliegenden Trümmern. Nicht aufgeregt oder ängstlich.
Einfach nur mit ihrem Job beschäftigt.
»Ich sorge dafür, dass sie sie bekommt«, versprach Rebus Mungo, als der seine Kameratasche zuschnallte. »Und danke für das hier. Ich stehe jetzt in Ihrer Schuld.«
Mungo nickte. »Vielleicht einen Tipp, wenn Sie das nächste Mal als Erster an einem Tatort sind?«
»Passiert nicht so oft, mein Freund«, erklärte Rebus. »Aber ich behalte es im Kopf.«
Mungo schüttelte beiden Beamten die Hand. Wylie sah ihm nach. »Behalten Sie ihn wirklich im Kopf?«, fragte sie skeptisch.
»Die Scheiße ist, dass in meinem Alter das Gedächtnis nachlässt.« Rebus griff nach den Nudeln, musste allerdings feststellen, dass sie kalt geworden waren.
Mairie Henderson hielt Wort und tauchte innerhalb der nächsten halben Stunde auf, die Miene leicht säuerlich, als sie auf dem Schreibtisch das Papier des Marsriegels entdeckte.
»Ich kann nichts dafür«, beteuerte Rebus und hob bedauernd die Hände.
»Dachte, das hier würdest du vielleicht gern sehen«, sagte sie, während sie einen Ausdruck der Titelseite vom nächsten Morgen auseinanderfaltete. »Wir hatten Glück: keine besonderen Storys.«
POLIZEI UNTERSUCHT MYSTERIÖSEN G8-MORD. Dazu Fotos vom Clootie Well und dem Gleneagles Hotel. Rebus machte sich nicht die Mühe, den Text zu lesen.
»Was haben Sie eben zu Mungo gesagt?«, stichelte Wylie.
Rebus ignorierte sie und konzentrierte sich stattdessen auf die Würdenträger. »Könntest du sie mir vorstellen?«, fragte er Mairie. Sie holte tief Luft und begann, Namen abzuspulen. Staatsminister aus so unterschiedlichen Ländern wie Südafrika, China und Mexiko. Die meisten hatten Handels- oder Wirtschaftsressorts inne, und wenn Mairie sich nicht ganz sicher war, rief sie einen der Experten bei der Zeitung an, der ihr dann präzise Auskunft gab.
»Können wir also davon ausgehen, dass sie über Handel oder Entwicklungshilfe gesprochen haben?«, fragte Rebus. »Und falls ja, was hat Richard Pennen da gemacht? Oder gar unser Verteidigungsminister?«
»Man kann auch mit Waffen handeln«, erinnerte ihn Mairie.
»Und der Chief Constable?«
Sie zuckte die Achseln. »Vermutlich aus Höflichkeit eingeladen. Dieser Mann hier …«, sie tippte auf eins der Bilder, »… das ist Mr. Genmanipulation. Ich habe ihn im Fernsehen gesehen, in einer Diskussion mit Umweltschützern.«
»Verkaufen wir denn Erbgut an Mexiko?«, wunderte sich Rebus. Mairie zuckte wieder mit den Schultern.
»Glaubst du wirklich, dass sie etwas vertuschen?«
»Warum sollten sie das tun?«, erwiderte Rebus, als hätte ihre Frage ihn überrascht.
»Weil sie es können?«, äußerte Ellen Wylie.
»So dumm sind diese Männer nicht. Pennen ist nicht der einzige Geschäftsmann in dem Verein.« Mairie deutete auf zwei andere Gesichter. »Banken und Fluggesellschaften.«
»Die Promis haben sie in aller Eile weggeschafft«, sagte Rebus, »nachdem Websters Leiche entdeckt worden war.«
»Übliche Vorgehensweise, nehme ich an«, erwiderte Mairie.
Rebus ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen. »Pennen will nicht, dass wir da mitmischen, und Steelforth hat versucht, mir ordentlich einen überzubraten. Was sagt euch das?«
»Dass jede Publicity schlechte Publicity ist, wenn man mit bestimmten Regierungen Geschäfte machen will.«
»Mir gefällt der Typ«, sagte Wylie, als sie am Ende der Aufzeichnungen über Webster ankam. »Schade, dass er tot ist.« Sie sah zu Rebus. »Gehen Sie zu der Beerdigung?«
»Denke noch darüber nach.«
»Wieder eine Gelegenheit, bei Pennen und dem Special Branch anzuecken?«, wollte Mairie
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