Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
diesen Kriminaltechnikern? Die haben alle so merkwürdige Hobbys.«
»Sie fragen ihn also?«
»Ich frage ihn. Gehen Sie heute auf Kneipentour?«
»Nachtdienst.«
»Am Tag der Beerdigung?«
»Irgendjemand muss ihn ja machen.«
»Ich wette, Sie haben darauf bestanden.«
Anstelle einer Antwort fragte er sie, was sie vorhabe.
»Mich bald aufs Ohr legen. Ich will nämlich morgen in aller Herrgottsfrüh zu der Großdemo gehen.«
»Wozu hat man Sie denn verdonnert?«
Sie lachte. »Nicht beruflich, John – ich gehe privat hin.«
»O Graus!«
»Sie sollten auch kommen.«
»Klar. Das wird auch wahnsinnig viel bewirken. Da bleibe ich doch lieber zu Hause – das ist dann mein Protest.«
»Was für ein Protest?«
»Gegen den verdammten Bob Geldof.« Sie lachte. »Wenn nämlich wirklich so viele kommen, wie er es gern hätte, wird es so aussehen, als wäre das alles sein Verdienst. Mit mir nicht, Siobhan. Denken Sie noch mal drüber nach, bevor Sie sich da engagieren.«
»Ich gehe, John. Und wenn ich’s nur tue, um nach meinen Eltern Ausschau zu halten.«
»Ihre …?«
»Sie sind von London raufgekommen – und nicht, weil Geldof sie gerufen hat.«
»Sie nehmen an der Demonstration teil?«
»Ja.«
»Werde ich sie kennenlernen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil Sie genau die Art Polizist sind, vor der meine Eltern mich immer gewarnt haben.«
Darüber sollte er wohl lachen, aber er wusste, dass sie es nur halb im Scherz gemeint hatte.
»Ein Punkt für Sie«, war alles, was er sagte.
»Haben Sie den Chef abgehängt?« Ein bewusster Themenwechsel.
»Hab ihn beim Parkservice abgegeben.«
»Sie werden’s nicht glauben – so was gibt’s in Gleneagles wirklich. Hat er zum Abschied gehupt?«
»Was glauben Sie?«
»Ich wusste, dass er es tun würde. Dieser Ausflug hat ihn richtig aufblühen lassen.«
»Und ihn vom Revier ferngehalten.«
»So hat doch jeder was davon.« Sie hielt inne. »Sie werden doch da was unternehmen, oder?«
»Wie meinen Sie das?«
»Cyril Colliar. Nächste Woche hat Sie sozusagen niemand an der Leine.«
»Ich wusste nicht, dass ich in Ihrer Wertschätzung so weit oben rangiere.«
»John, Sie stehen ein Jahr vor der Pensionierung. Ich weiß, dass Sie ein letztes Mal versuchen wollen, Cafferty zur Strecke zu bringen …«
»Und gläsern scheine ich auch zu sein.«
»Aber ich versuche doch nur …«
»Ich weiß, und ich bin gerührt.«
»Glauben Sie wirklich, Cafferty könnte dahinterstecken?«
»Wenn nicht, wird er den haben wollen, der es tut. Hören Sie, wenn es mit Ihren Eltern irgendwie schwierig wird …« Wer wechselte denn hier das Thema? »… schicken Sie mir eine SMS, dann treffen wir uns auf einen Drink.«
»Okay, mach ich. Jetzt können Sie die CD von Elbow wieder aufdrehen.«
»Gut erkannt. Wir hören voneinander.«
Rebus beendete den Anruf. Und tat, wie ihm geheißen.
2
Jetzt kamen die Absperrungen. Die George IV Bridge hinunter und die ganze Princess Street entlang waren Arbeiter damit beschäftigt, sie aufzurichten. Straßenbauarbeiten und Hochbauprojekte hatte man auf Eis gelegt und Gerüste entfernt, damit sie nicht zerlegt und als Wurfgeschosse verwendet werden konnten. Briefkästen waren versiegelt und manche Geschäfte mit Brettern vernagelt worden. Geldinstitute hatte man gewarnt und deren Mitarbeitern geraten, sich nicht formell zu kleiden, da sie sonst ein leichtes Ziel abgeben würden. Für einen Freitagabend war die Stadt ruhig. Mannschaftswagen mit Metallgittern vor den Windschutzscheiben fuhren die Straßen im Zentrum ab, weitere parkten außer Sicht in unbeleuchteten Seitenstraßen. Die Polizisten in den Fahrzeugen trugen Schutzausrüstung und unterhielten sich lachend über frühere Einsätze. Ein paar Veteranen hatten während der letzten Welle der Bergarbeiterstreiks so manches erlebt. Andere versuchten, mit Geschichten über Schlägereien bei Fußballspielen, bei Demonstrationen gegen die Kopfsteuer oder Protestmärschen gegen den Newbury Bypass gleichzuziehen. Sie tauschten Gerüchte über die erwartete Größe des italienischen Anarchistenkontingents aus.
»Genua hat sie fit gemacht.«
»Das gefällt uns doch, Jungs, oder?«
Draufgängertum und Nervosität und Kameradschaft. Und immer wenn ein Funkgerät zu knacken begann, verebbte die Unterhaltung.
Die uniformierten Beamten am Bahnhof trugen hellgelbe Jacken. Auch hier wurden Absperrungen errichtet. Sie blockierten Ausgänge, sodass nur noch ein einziger Weg hinein und hinaus
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