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Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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zu fahren – immer unter der Voraussetzung, dass die diversen Demonstrationszüge sie durchlassen würden. Auch die Königin war auf dem Weg nach Norden, wo sie ein Dinner für die Delegierten geben würde.
    Die Nachrichtensprecher klangen atemlos, aufgeputscht durch zu viel Koffein. Siobhan, die die Nacht in ihrem Auto verbracht hatte, behalf sich mit dem wässrigen Kaffee von einem ortsansässigen Bäcker. Die anderen Kunden waren eher an den Szenen interessiert, die sich auf dem Bildschirm oben hinter der Theke abspielten.
    »Das ist Bannockburn«, hatte eine von ihnen erklärt. »Und das da Springkerse. Sie sind überall!«
    »Tut euch zusammen«, riet ihre Freundin, woraufhin einige lächelten. Die Demonstranten hatten Camp Horizon morgens um zwei verlassen und die Polizei buchstäblich im Schlaf überrascht.
    »Ich verstehe nicht, weshalb uns diese verfluchten Politiker weismachen wollen, das wäre gut für Schottland«, murmelte ein Mann im Maleranzug, der auf sein Schinkenbrötchen wartete. »Ich hab heute in Dunblane und Crieff zu tun. Gott weiß, wie ich da hinkommen soll …«
    Wieder im Auto, wärmte Siobhan sich an der Heizung auf, aber Wirbelsäule und Nacken blieben steif. Sie hatte in Stirling übernachtet, denn wenn sie nach Hause gefahren wäre, hätte sie morgens wiederkommen und dann das ganze Sicherheitsprozedere erneut über sich ergehen lassen müssen. Nachdem sie zwei Aspirin geschluckt hatte, machte sie sich auf den Weg zur A9. Sie war auf der Schnellstraße noch nicht weit gekommen, als die Warnblinkanlage eines Autos vor ihr signalisierte, dass der Verkehr auf beiden Fahrbahnen völlig zum Erliegen gekommen war. Fahrer waren aus ihren Autos gestiegen, um die Männer und Frauen anzubrüllen, die in Clownskostümen auf der Straße lagen, manche an die Leitplanken des Mittelstreifens gekettet. Polizisten jagten andere knallbunt gekleidete Gestalten über die angrenzenden Felder. Siobhan parkte auf dem befestigten Seitenstreifen und lief zur Spitze der Autoschlange, wo sie dem diensthabenden Beamten ihre Dienstmarke zeigte.
    »Ich sollte jetzt eigentlich in Auchterarder sein«, erklärte sie dem Mann. Er deutete mit seinem kurzen Schlagstock auf ein Polizeimotorrad.
    »Falls Archie einen Ersatzhelm hat, kann er Sie in zwei Sekunden hinbringen.«
    Archie zauberte den benötigten Helm hervor. »Da hinten wird Ihnen allerdings höllisch kalt werden«, warnte er sie.
    »Dann muss ich mich eben ankuscheln, oder?«
    Als er jedoch Gas gab und losfuhr, fand sie das Wort »ankuscheln« völlig deplatziert. Um ihr nacktes Leben bangend, klammerte Siobhan sich an ihm fest. In ihrem Helm befand sich ein Hörer, über den sie Meldungen von Operation Sorbus mitverfolgen konnte. Rund fünftausend Demonstranten brachen über Auchterarder herein, bereit, die Tore des Hotels zu passieren. Sinnlos, wie Siobhan wusste: Sie wären immer noch mehrere hundert Meter vom Hauptgebäude entfernt, und ihre Parolen würden im Wind verwehen. Die hohen Tiere in Gleneagles würden nichts von Demonstrationen, nichts von massenhaftem Protest mitbekommen. Aus allen Richtungen strömten Demonstranten über die Felder herbei, aber die Polizisten jenseits des Sicherheitskordons waren vorbereitet. Als sie Stirling verließ, war Siobhan ein neues Graffito auf einer Fastfoodbude ins Auge gefallen: 10 000 Pharaos, sechs Milliarden Sklaven. Sie versuchte immer noch herauszufinden, wer wer sein sollte …
    Als Archie plötzlich bremste, wurde sie nach vorn gedrückt, sodass sie über seine Schulter hinweg sehen konnte, was sich vor ihnen abspielte.
    Schutzschilde, Hundeführer, berittene Polizei.
    Ein zweimotoriger Transporthubschrauber durchpflügte die Luft über ihnen.
    Flammen züngelten an einer amerikanischen Flagge.
    Ein Sitzstreik, der sich über die ganze Breite der Fahrbahn erstreckte. Als Polizisten begannen, ihn zu durchbrechen, schoss Archie mit dem Motorrad auf die Lücke zu und quetschte sich hindurch. Wären Siobhans Finger nicht vor Kälte steif und taub gewesen, hätte sie ihm auf die Schulter geklopft. Durch den Kopfhörer erfuhr sie, dass der Bahnhof Stirling möglicherweise in Kürze wieder geöffnet würde, dass Anarchisten aber die Linie als Abkürzung nach Gleneagles verwenden könnten. Sie erinnerte sich, dass das Hotel sich mit seinem eigenen Bahnhof brüstete, zweifelte jedoch daran, dass irgendjemand ihn heute benutzen würde. Bessere Nachrichten kamen aus Edinburgh, wo sintflutartiger Regen die Begeisterung

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