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Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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die trotz des Wetters fantastisch aussahen.
    »Tolle Besetzung«, hatte Siobhan zu ihnen gesagt.
    »Danke«, hatte Daws geantwortet. Dann hatte Diprose gefragt, ob Siobhan eine Lieblingsgruppe habe, was sie verneinte.
    Die ganze Zeit über hatte Greig gar nicht erst erwähnt, dass sie Polizistin war.
    Außerhalb des Murrayfield-Stadions hatten Fans ohne Karten gestanden, die darauf hofften, noch welche ergattern zu können, und ein paar Schwarzhändler, deren Preise alle außer den Reichsten und Verzweifeltsten abschreckten. Dank ihres Ausweises hatte Siobhan unten um die Bühne herum und auf das Spielfeld gehen können, wo sie sich zu sechzigtausend durchnässten Fans gesellte. Doch die sehnsüchtigen Blicke, die ihrem kleinen Plastikkärtchen galten, ließen ein ungutes Gefühl in ihr aufkommen, und sie zog sich bald wieder hinter den Sicherheitszaun zurück. Greig hatte eine halbleere Flasche Continental Lager in der Hand und stopfte sich mit kostenlosem Essen voll. Die Proclaimers hatten das Konzert mit »500 Miles« zum Mitsingen eröffnet. Es hieß, Eddie Izzard würde Midge Ure bei seiner Version von »Vienna« auf dem Klavier begleiten.Texas, Snow Patrol und Travis waren für später angesagt, Bono sollte bei The Corrs aushelfen und James Brown die Schlussnummer übernehmen.
    Doch inmitten der hektischen Aktivität hinter der Bühne fühlte Siobhan sich alt. Die Hälfte der auftretenden Künstler kannte sie nicht. Sie sahen wichtig aus, wie sie mit ihrem jeweiligen Gefolge geschäftig hin und her eilten, aber ihre Gesichter sagten ihr gar nichts. Plötzlich ging ihr auf, dass ihre Eltern vielleicht am Freitag abreisten, was bedeutete, dass ihr nur noch ein Tag mit ihnen blieb. Kurz zuvor hatte sie sie angerufen: Sie befanden sich wieder in ihrer Wohnung, hatten unterwegs eingekauft und wollten abends vielleicht essen gehen. Nur sie beide, hatte ihr Dad gesagt und es so klingen lassen, als wäre es genau das, was er sich wünschte.
    Vielleicht auch, um ihr kein schlechtes Gewissen zu machen, weil sie woanders hingegangen war.
    Sie versuchte, sich zu entspannen, in Stimmung zu kommen, aber die Arbeit ließ sie nicht los. Rebus, das wusste sie, würde immer noch an der Sache dran sein. Er würde nicht ruhen, bis seine Dämonen bezwungen waren. Doch jeder Sieg war flüchtig, und jeder Kampf zehrte etwas mehr an ihm. Jetzt, wo es langsam dunkel wurde, war das Stadion mit den Blitzen von Handykameras gesprenkelt. Phosphoreszierende Leuchtstäbe wurden über den Köpfen geschwenkt. Greig trieb irgendwo einen Regenschirm auf, den er ihr in die Hand drückte, als der Regen stärker wurde.
    »Gab es in Niddrie noch mal Ärger?«, fragte sie ihn.
    Er schüttelte den Kopf. »Sie haben ihren Standpunkt klargemacht«, erklärte er. »Und im Übrigen denken sie wahrscheinlich, dass ihre Chancen auf eine kleine Schlägerei größer sind, wenn sie in die Stadt fahren.« Er warf seine leere Bierflasche in eine Recyclingtonne. »Haben Sie das heute gesehen?«
    »Ich war in Auchterarder«, antwortete sie.
    Er sah beeindruckt aus. »Nach dem wenigen, was ich im Fernsehen gesehen habe, kam es mir vor wie ein Kriegsgebiet.«
    »So schlimm war es auch wieder nicht. Und hier?«
    »Kleine Proteste, als die Busse am Abfahren gehindert wurden. Aber nichts im Vergleich zu Montag.« Er deutete mit dem Kopf über ihre Schulter. »Annie Lennox«, sagte er. Und tatsächlich, keine drei Meter entfernt schenkte sie ihnen auf dem Weg in ihre Garderobe ein Lächeln. »Im Hyde Park haben Sie toll gesungen!«, rief Greig ihr zu. Sie lächelte immer noch, in Gedanken bei dem vor ihr liegenden Auftritt.
    Greig ging noch einmal Bier holen. Die meisten Leute in Siobhans Umgebung hingen einfach herum und sahen gelangweilt aus. Techniker, die erst wieder etwas zu tun hatten, wenn alles vorüber war und die Bühne abgebaut werden musste. Persönliche Assistenten und Angestellte der Plattenfirmen – Letztere uniform in schwarzen Anzügen und dazu passenden Pullovern mit V-Ausschnitt, Sonnenbrillen auf der Nase und Handys am Ohr. Gastronomen und Veranstalter samt Anhang. Sie wusste, dass sie zur letzten Kategorie gehörte. Niemand hatte sie gefragt, welche Rolle sie spiele, weil niemand sie für eine Akteurin hielt.
    Auf die Stehplätze, da gehöre ich hin, dachte sie.
    Oder ins CID-Büro.
    Sie fühlte sich so ganz anders als das Mädchen im Teenageralter damals, das per Anhalter nach Greenham Common gefahren war und »We Shall Overcome« gesungen hatte,

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