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Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Bildschirm, so als könnte sie ihn wegnehmen. Sie folgte dem Stock zum nackten Arm seines Besitzers. Dessen Schulter war auf dem Foto zu sehen, nicht aber der Kopf. Sie ging ein paar Bilder zurück, dann ein paar nach vorn.
    Da.
    Er hielt eine Hand hinter den Rücken, um den Stock zu verbergen, der aber immer noch da war. Und Stacey hatte den Mann von vorn abgelichtet, mitsamt der Schadenfreude und dem hämischen Grinsen im Gesicht. Ein paar Bilder weiter stand er auf den Zehenspitzen und sang. Die Baseballmütze tief ins Gesicht gezogen und doch unverkennbar.
    Der Junge aus Niddrie, der Anführer der Bande. Kam wie so viele seines Schlages in die Princes Street – aus lauter Jux und Tollerei.
    Zuletzt hatte Siobhan ihn gesehen, als er aus dem Sheriff Court kam, wo Stadtrat Gareth Tench wartete. Tenchs Worte: Einige Bürger aus meinem Wahlbezirk wurden in diesen ganzen Aufruhr verwickelt … Tench, der den Gruß des Übeltäters erwiderte, als der das Gericht als freier Mann verließ … Siobhans Hand zitterte leicht, als sie es noch einmal bei Rebus versuchte. Er nahm immer noch nicht ab. Sie stand auf und lief durch ihre Wohnung, in jedes Zimmer. Im Bad lagen die gebrauchten Handtücher ordentlich zusammengefaltet auf einem Stapel. Im Mülleimer fand sie eine leere Suppenpackung. Sie war ausgespült worden, damit sie nicht stank. Die kleinen praktischen Handgriffe ihrer Mutter … Sie stand vor dem großen Spiegel im Schlafzimmer und versuchte, eine Ähnlichkeit zu entdecken. Sie fand, dass sie ihrem Vater ähnlicher sah. Sie würden jetzt auf der A1 sein und immer weiter Richtung Süden fahren. Sie hatte ihnen nicht die Wahrheit über Santal gesagt, würde es wahrscheinlich nie tun. Wieder am Computer, ging sie alle übrigen Fotos durch und fing dann wieder von vorne an, diesmal nur auf der Suche nach dieser einen Person, einem dünnen kleinen Tunichtgut mit Baseballmütze, Kapuzenhemd, Jeans und Turnschuhen. Sie versuchte, ein paar davon auszudrucken, erhielt aber die Meldung, ihre Druckerpatrone sei fast leer. Auf dem Leith Walk gab es einen Computerladen. Sie schnappte sich Schlüssel und Portemonnaie.
     
    Die Flasche war leer, und es gab keine mehr im Haus. Im Gefrierfach hatte Rebus noch eine kleine, jedoch fast leere Flasche polnischen Wodka gefunden. Aber er hatte keine Lust, einkaufen zu gehen, machte sich stattdessen eine Tasse Tee und setzte sich an den Esstisch, wo er die Fallakten überflog. Ellen Wylie war von Ben Websters Lebenslauf beeindruckt gewesen, und Rebus erging es ebenso. Er las ihn sich noch einmal durch. Die Unruheherde der Welt: Manche Leute wurden von ihnen angezogen – Abenteurer, Fernsehkorrespondenten, Söldner. Rebus hatte vor einer Weile erfahren, dass Mairie Hendersons Lebensgefährte Kameramann war und Reisen nach Sierra Leone, Afghanistan und in den Irak unternommen hatte … Aber Rebus gewann den Eindruck, dass Ben Webster in keines dieser Länder gereist war, weil er einen Kick brauchte, sondern weil es sein Job war.
    »Es ist unsere vornehmste Pflicht als Menschen«, hatte er in einer seiner Reden vor dem Parlament ausgeführt, »wo und wann immer möglich in den ärmsten und unwirtlichsten Gegenden der Welt zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen.« Das war ein Punkt, den er auch anderswo immer wieder betonte – vor verschiedenen Ausschüssen, auf öffentlichen Podien und in Presseinterviews.
    Mein Bruder war ein guter Mensch …
    Daran hatte Rebus keinen Zweifel. Ebenso wenig konnte er sich irgendeinen Grund vorstellen, warum jemand ihn von diesen Zinnen auf die Felsen darunter hätte stoßen sollen. So fleißig Ben Webster auch gewesen war, er hatte dennoch keine große Bedrohung für Pennen Industries dargestellt. So kam Rebus wieder auf die Selbstmordtheorie zurück. Vielleicht war Webster ja durch all das Elend, die Konflikte, Hungersnöte und Katastrophen dieser Länder depressiv geworden. Vielleicht hatte er im Voraus gewusst, dass bei dem G8-Gipfel kaum Fortschritte erzielt und seine Hoffnungen auf eine bessere Welt ein weiteres Mal enttäuscht werden würden. Ein Sprung ins Leere, um auf die Situation aufmerksam zu machen? Das erschien Rebus unrealistisch. Webster hatte mit mächtigen und einflussreichen Männern, Diplomaten und Politikern aus vielen Nationen an einem Tisch gesessen. Ihnen gegenüber hätte er seine Anliegen doch vorbringen können. Krach schlagen, Stunk machen. Brüllen, schreien …
    Dieser Schrei, der in den Nachthimmel stieg, als er

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