Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
sich ins Dunkel stürzte.
»Nein«, sagte Rebus kopfschüttelnd. Ihm schien, als wäre das Puzzle fast vollständig, sodass er das Bild erkennen konnte, aber mit ein paar Teilen am falschen Platz.
»Nein«, wiederholte er, bevor er sich erneut seiner Lektüre widmete.
Ein guter Mensch …
Nach weiteren zwanzig Minuten stieß er auf ein Interview aus einer der Sonntagsbeilagen von vor zwölf Monaten. Darin wurde Webster nach seinen Anfängen als Parlamentsabgeordneter gefragt. Er hatte eine Art Mentor gehabt, einen anderen schottischen Abgeordneten und Senkrechtstarter der Labourpartei namens Colin Anderson.
Rebus’ eigener Abgeordneter.
»Hab dich nicht auf der Beerdigung gesehen, Colin«, sagte Rebus leise, während er ein paar Sätze unterstrich.
Webster beeilt sich, Anderson für die Hilfe zu danken, die er dem Unterhaus-Neuling zuteil werden ließ: »Er sorgte dafür, dass mir die üblichen Bauchlandungen erspart blieben, und das kann ich ihm nicht hoch genug anrechnen.« Weitaus zurückhaltender ist der selbstsichere Webster jedoch, als er zu der Behauptung Stellung nehmen soll, es sei Anderson gewesen, der ihm seine jetzige Rolle als Parliamentary Private Secretary verschafft und ihn damit in eine Position gehievt habe, in der er dem Handelsminister bei künftigen Kämpfen um die Parteispitze zur Seite stehen könne ...
»Gut, gut«, sagte Rebus und blies in seinen Tee, auch wenn der bestenfalls noch lauwarm war.
»Ich hatte völlig vergessen«, sagte Rebus, während er sich einen freien Stuhl an den Tisch heranzog, »dass mein eigener Abgeordneter Handelsminister ist. Ich weiß, Sie sind vielbeschäftigt, deshalb werde ich es kurz machen.«
Er befand sich in einem Restaurant im Edinburgher Stadtteil Southside. Obwohl noch früh am Abend, war das Lokal schon voll. Die Bedienung legte noch ein Gedeck für ihn auf und versuchte, ihm eine Speisekarte in die Hand zu drücken. Der Abgeordnete Anderson saß mit seiner Frau an einem Zweiertisch.
»Wer, zum Teufel, sind Sie?«, fragte er.
Rebus gab dem Kellner die Speisekarte zurück. »Ich esse nichts«, erklärte er. Dann, an den Abgeordneten gewandt: »Ich heiße John Rebus und bin Detective Inspector. Hat Ihre Sekretärin Ihnen nichts ausgerichtet?«
»Können Sie sich ausweisen?«, fragte Anderson.
»Eigentlich ist es nicht ihre Schuld«, fuhr Rebus fort. »Ich habe ein bisschen übertrieben und gesagt, es sei ein Notfall.« Er hielt ihm seinen Dienstausweis zur Überprüfung hin. Während der Abgeordnete ihn studierte, lächelte Rebus dessen Frau an.
»Soll ich lieber …?« Sie machte Anstalten aufzustehen.
»Nichts streng Geheimes«, versicherte Rebus ihr. Anderson gab Rebus seinen Dienstausweis zurück.
»Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, Inspector, das kommt mir jetzt nicht gerade gelegen.«
»Ich dachte, Ihre Sekretärin hätte Sie benachrichtigt.«
Anderson nahm sein Handy vom Tisch. »Kein Empfang«, stellte er fest.
»Daran sollten Sie etwas ändern«, meinte Rebus. »Das ist an vielen Stellen in der Stadt noch so …«
»Haben Sie getrunken, Inspector?«
»Nur, wenn ich außer Dienst bin, Sir.« Rebus wühlte in seiner Tasche, bis er das Päckchen gefunden hatte.
»Hier ist Rauchen verboten«, belehrte ihn Anderson.
Rebus schaute die Zigarettenschachtel an, als wäre sie unbemerkt in seine Hand gelangt. Er entschuldigte sich und steckte sie wieder ein. »Ich habe Sie nicht bei der Beerdigung gesehen, Sir«, sagte er zu dem Abgeordneten.
»Welcher Beerdigung?«
»Ben Webster. In seinen Anfängen waren Sie ihm ein guter Freund.«
»Ich hatte andere Verpflichtungen.« Der Abgeordnete blickte betont auffällig auf die Uhr.
»Bens Schwester hat mir erzählt, dass Labour ihn nach seinem Tod schnell vergessen würde.«
»Das halte ich für Unsinn. Ben war ein Freund, Inspector, und ich wollte zu seiner Beerdigung gehen …«
»Aber Sie hatten zu tun«, meinte Rebus in verständnisvollem Ton. »Und jetzt sind Sie hier, um schnell, aber ungestört mit Ihrer Frau zu speisen, und dann platze ich unangemeldet herein.«
»Heute ist zufällig der Geburtstag meiner Frau. Wir haben es – weiß Gott, wie – geschafft, uns ein wenig Zeit freizuschaufeln.«
»Und ich hab’s verdorben.« Rebus wandte sich an Andersons Ehefrau. »Alles Gute zum Geburtstag!«
Der Kellner stellte ein Weinglas vor Rebus. »Vielleicht lieber Wasser?«, schlug Anderson vor. Rebus nickte.
»Hatten Sie viel mit dem G8-Gipfel zu tun?«, fragte die Frau
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