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Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Hilfe.« Kurze Ortsangabe. Zwei, drei Minuten, dann würden sie kommen. Weiter war das Polizeirevier von Craigmillar nicht entfernt. Der Anführer der Bande bückte sich und tat, als streckte er Bobby Greig sein Hinterteil hin. Einer von Greigs Männern nahm an dessen Stelle die Beleidigung an und rannte auf den Anführer zu, der genau das tat, was Siobhan befürchtet hatte: Er schien sich weiter in den Fußweg zurückzuziehen.
    Mitten in die Siedlung hinein.
    »Vorsicht!«, warnte sie, aber niemand hörte auf sie. Als sie sich umdrehte, bemerkte sie, dass einige der Zeltstadtbewohner die Aktion beobachteten. »Die Polizei wird in einer Minute hier sein«, beruhigte sie sie.
    »Bullen«, erwiderte einer von ihnen sichtlich angewidert.
    Siobhan rannte hinaus auf die Straße. Die Bande hatte sich jetzt wirklich zerstreut; jedenfalls sah es so aus. Sie folgte der Route, die Bobby Greig genommen hatte, den Fußweg entlang und dann in eine Sackgasse. Niedrige Wohnblocks um sie herum, einige der letzten und übelsten in den alten Straßen. Auf dem Bürgersteig sah sie das Skelett eines Fahrrads liegen, im Rinnstein die Überbleibsel eines Supermarkt-Einkaufswagens. Schatten, Raufereien und Geschrei. Das Klirren von zerbrechendem Glas. Falls es einen Kampf gab, konnte sie ihn nicht sehen. Hinterhöfe waren das Schlachtfeld. Und Treppenhäuser. An manchen Fenstern Gesichter, die sich aber rasch zurückzogen und nur den kalten, blauen Schein der Fernseher zurückließen. Siobhan ging weiter, sah sich nach links und rechts um. Sie fragte sich, wie Greig sich verhalten hätte, wäre sie nicht Zeugin dieser höhnischen Bemerkungen gewesen. Männer und ihr verdammter Männlichkeitswahn …
    Ende der Straße: immer noch nichts. Sie bog einmal nach links, dann nach rechts ab. In einem Vorgarten saß ein Auto auf Ziegelsteinen. An einem Laternenpfosten hatte jemand die Tür abmontiert und die Leitungen herausgerissen. Der Ort war ein verdammtes Labyrinth, und warum hörte sie eigentlich keine Sirenen? Abgesehen von einem Streit in einem der Häuser, drangen jetzt nicht einmal mehr Schreie an ihr Ohr. Ein Junge auf einem Skateboard kam auf sie zugefahren, höchstens zehn oder elf Jahre alt, und starrte sie unverwandt an, bis er vorbei war. Sie glaubte, dass sie nur einmal links abzubiegen brauchte, um wieder auf der Hauptstraße zu sein. Stattdessen kam sie in eine weitere Sackgasse und fluchte leise – hier gab es nicht einmal einen Fußweg. Ihr war klar, dass der kürzeste Weg wohl darin bestand, um die letzte Häuserreihe zu gehen und über den Zaun zu klettern. Dann noch einen Häuserblock weiter, und sie wäre wieder da, wo sie losgelaufen war.
    Vielleicht.
    Wer A sagt, muss auch B sagen, dachte sie und machte sich auf den Weg über die zerbrochenen Gehwegplatten. Hinter der Häuserreihe gab es nicht mehr viel: Unkraut, knöchelhohes Gras und die verbogenen Überreste einer Wäschespinne. Der Zaun war eingedrückt, sodass man ihn leicht überwinden und in die nächsten Gärten gelangen konnte.
    »Das ist mein Blumenbeet«, rief eine Stimme in gespielt klagendem Ton. Siobhan sah sich um – und starrte in die milchig blauen Augen des Bandenführers.
    »Zum Anbeißen«, sagte er, während er sie von Kopf bis Fuß musterte.
    »Findest du nicht, dass du schon genug Ärger am Hals hast?«, fragte sie.
    »Was für’n Ärger?«
    »Es war mein Auto, das ihr gestern Abend demoliert habt.«
    »Keine Ahnung, wovon du redest.« Er war einen Schritt näher gekommen. Rechts und links hinter ihm zwei Gestalten.
    »Das Beste, was ihr tun könnt, ist, schleunigst zu verschwinden«, warnte sie sie. Die Reaktion: leises Lachen.
    »Ich bin vom CID«, erklärte sie und hoffte, dass ihre Stimme nicht zitterte. »Wenn hier irgendwas passiert, dann zahlst du dein Leben lang dafür.«
    »Und warum bibberst du dann so?«
    Siobhan hatte sich nicht bewegt, war keinen Zentimeter zurückgewichen. Er stand ihr jetzt Auge in Auge gegenüber. Zum Knie-in-den-Unterleib-Rammen nah. Sie merkte, dass ihr Selbstvertrauen sich wieder einstellte.
    »Hau ab«, sagte sie leise.
    »Vielleicht will ich aber nicht.«
    »Vielleicht aber doch«, dröhnte eine tiefe Stimme.
    Siobhan drehte sich um. Hinter ihr stand Stadtrat Tench. Die Hände hatte er vor dem Körper gefaltet, die Beine leicht gespreizt. Er schien Siobhans ganzes Gesichtsfeld auszufüllen.
    »Sie geht das gar nichts an«, beschwerte sich der Anführer und deutete mit dem Finger in Tenchs Richtung.
    »Alles

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