Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
und in einem Nachsatz wurde erwähnt, dass der Tod des Ministers für Internationale Entwicklung Ben Webster »als tragischer Unfall behandelt« werde. Das Hauptaugenmerk der Berichterstattung lag jedoch auf dem Konzert im Hyde Park. Von den Massen, die auf den Meadows versammelt waren, hatte Siobhan heftige Beschwerden gehört. Sie hatten das Gefühl, dass die Popstars ihnen die Schau stahlen.
»Die interessieren nur Rampenlicht und Plattenverkäufe«, hatte ein Mann gesagt. »Egomane Arschlöcher …«
Nach letzten Schätzungen belief sich die Zahl der Demonstrationsteilnehmer auf 225 000. Siobhan wusste nicht, wie viele das Konzert in London besuchten, aber sie bezweifelte, dass es auch nur halb so viele sein würden. Die nächtlichen Straßen waren voll mit Autos und Fußgängern. Und mit Bussen, die aus der Stadt hinaus in Richtung Süden fuhren. Manche der Geschäfte und Restaurants, an denen sie vorbeikam, hatten Schilder in den Fenstern hängen: Wir unterstützen Make Poverty History …Wir führen nur Produkte aus fairem Handel … Kleines Einzelhandelsgeschäft … Demonstrationsteilnehmer willkommen … Es gab auch Graffiti – das Symbol der Anarchie und Botschaften, die die Vorbeigehenden ermahnten: Activ8, Agit8, Demonstr8. Eine andere Aussage lautete schlicht: »Rom wurde nicht an einem Tag geplündert.« Sie hoffte, der Chief Constable würde am Ende recht behalten, aber bis dahin war es noch ein weiter Weg …
Außerhalb des provisorischen Campingplatzes in Niddrie parkten Busse. Die Zeltstadt war größer geworden. Der Sicherheitsbeamte vom Abend zuvor hatte wieder Dienst. Sie fragte ihn nach seinem Namen.
»Bobby Greig.«
»Bobby, ich heiße Siobhan. Ganz schön was los heute.«
Er zuckte die Achseln. »Ein paar tausend vielleicht. Mehr werden’s, glaub ich, nicht mehr.«
»Sie klingen enttäuscht.«
»Der Stadtrat hat eine Million für dieses Stück Boden hingeblättert – hätte genauso gut jedem von ihnen ein Hotelzimmer geben können oder wenigstens einen Zeltplatz in der Wildnis.« Er deutete mit dem Kopf auf das Auto, das sie gerade zugeschlossen hatte. »Wie ich sehe, haben Sie Ersatz bekommen.«
»Vom Wagenpark in St Leonard’s geliehen. Gab’s noch mal Ärger mit den Einheimischen?«
»Alles ruhig«, antwortete er. »Aber jetzt wird’s dunkel … da kommen sie raus zum Spielen.Wissen Sie, wie einem hier drin zumute ist?« Er ließ den Blick über das Gelände schweifen. »Wie in einem dieser Zombiefilme …«
Siobhan lächelte. »Das macht Sie zur letzten großen Hoffnung der Menschheit, Bobby. Sie sollten sich geschmeichelt fühlen.«
»Meine Schicht ist um Mitternacht zu Ende!«, rief er ihr hinterher, als sie sich auf den Weg zum Zelt ihrer Eltern machte. Es war niemand zu Hause. Sie zog den Reißverschluss am Eingang auf und schaute hinein. Tisch und Stühle waren zusammengeklappt und aufgeräumt, die Schlafsäcke fest zusammengerollt. Sie riss ein Blatt aus ihrem Notizbuch und schrieb eine Nachricht darauf. Auch die Bewohner der umliegenden Zelte schienen ausgeflogen zu sein. Siobhan fragte sich allmählich, ob ihre Eltern wohl mit Santal einen trinken gegangen waren.
Santal, die sie zuletzt bei der Demo am Buccleuch Place gesehen hatte. Was bedeutete, dass sie Schwierigkeiten machen oder in Schwierigkeiten geraten könnte.
Hör auf dich, Mädchen! Könnte gut sein, dass deine ganz im Trend liegenden linksliberalen Eltern irregeleitet werden!
Na na, sagte sie missbilligend zu sich selbst und beschloss, sich ein wenig die Zeit zu vertreiben, indem sie einen Spaziergang durch die Zeltstadt unternahm. Es bot sich ihr weitgehend das gleiche Szenario wie am Abend zuvor: Gitarrengeklimper, ein Kreis von Sängern im Schneidersitz, Kinder, die barfuß im Gras spielten, Ausgabe von billigem Essen im Festzelt. Neuankömmlinge, die von der Demo erschöpft waren, bekamen ihre Armbänder ausgehändigt und einen Platz für ihr Zelt zugewiesen. Der Himmel wies noch einen Rest von Licht auf, das Arthur’s Seat zu einer faszinierenden Silhouette werden ließ. Sie dachte daran, vielleicht am nächsten Tag hinaufzusteigen, sich eine ruhige Stunde zu gönnen. Der Blick von dort oben war immer ein Erlebnis, vorausgesetzt, sie konnte sich eine Stunde freimachen. Sie wusste, dass sie Rebus anrufen, ihn auf den neuesten Stand bringen sollte. Er saß vermutlich immer noch zu Hause vor der Kiste. Zeit genug also, ihm die Neuigkeiten mitzuteilen.
»Samstagabend, was?«, hörte sie Bobby
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