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Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Thomas Jensen. Tierärzte kamen vielleicht nicht ohne Weiteres an Heroin, konnten aber jederzeit irgendetwas dafür eintauschen.
    Zugang zu Heroin und einen Groll.Vickys Freunde, die beiden, die mit ihr in dem Nachtklub und im Bus gewesen waren … vielleicht müssten sie mal vernommen werden.
    Der Schlag auf den Kopf … immer von hinten. Eine Person, die nicht so stark war wie die Angegriffenen. Die sie für die Spritze in Bauchlage haben wollte. Hatte sie auf Trevor Guest eingeschlagen, weil er sich noch gewehrt hatte? Oder war das ein Zeichen dafür, dass der Mörder enthemmter und dreister wurde und anfing, das Ganze zu genießen?
    Aber Guest war das zweite Opfer gewesen. Das dritte, Cyril Colliar, war nicht so übel zugerichtet worden. Was bedeuten könnte, dass zufällig jemand den Mörder gestört hatte und er geflohen war, bevor er so richtig in Fahrt kommen konnte.
    Hatte er wieder getötet? Falls ja … Siobhan schnalzte kurz mit der Zunge. »Er oder sie«, schärfte sie sich selbst ein.
    »Bush, Blair, CIA, how many kids did you kill today?«
    Der Sprechchor wurde von der Menge aufgenommen. Sie strömte den Calton Hill hinauf, Siobhan hinterher. Ein paar Tausend waren es, auf dem Weg zu ihrer Kundgebung. Der Wind war schneidend, die Spitze des Hügels den Elementen ausgesetzt. Man hatte einen Blick auf Fife und Richtung Westen über die Altstadt. Richtung Süden sah man Holyrood und das Parlament, das Tag und Nacht von der Polizei abgeriegelt wurde. Calton Hill, so meinte Siobhan sich zu erinnern, war einer von Edinburghs erloschenen Vulkanen. Das Castle lag auf einem anderen; Arthur’s Seat war ein dritter. Oben gab es ein Observatorium und einige Denkmäler. Das Beste von allem war die »Torheit«: eine einzige Gebäudeseite von etwas, was einmal eine vollständige Nachbildung des Parthenon in Athen hatte werden sollen. Der verrückte Geldgeber war gestorben und hatte das Ding unvollendet hinterlassen. Ein paar Demonstranten kletterten jetzt darauf herum. Andere sammelten sich, um die Redebeiträge zu hören. Eine junge Frau, anscheinend ganz in ihrer eigenen Welt gefangen, tanzte vor sich hin singend um die Menge herum.
    »Hatte nicht erwartet, dich hier zu sehen, Liebes.«
    »Nein, aber ich dachte, ich würde euch vielleicht treffen.« Siobhan umarmte ihre Eltern. »Hab euch gestern auf den Meadows nicht gefunden.«
    »War das nicht fantastisch?«
    Siobhans Vater lachte. »Deine Mum hat die ganze Zeit geheult.«
    »So emotional«, stimmte seine Frau zu.
    »Ich habe euch gestern Abend gesucht.«
    »Wir sind einen trinken gegangen.«
    »Mit Santal?« Die Frage sollte beiläufig klingen. Sie fuhr sich mit einer Hand über den Kopf, als versuchte sie, die Stimme darin zum Verstummen zu bringen: Ich bin eure Tochter, verdammt noch mal, nicht sie!
    »Sie war eine Zeitlang dabei …, schien ihr nicht so zu gefallen.« Die Menge beklatschte und bejubelte den ersten Redner.
    »Später kommt Billy Bragg«, bemerkte Teddy Clarke.
    »Ich dachte, wir könnten vielleicht zusammen was essen«, sagte Siobhan. »Am Waterloo Place gibt es ein Restaurant …«
    »Hast du Hunger, Liebling?«, fragte Eve Clarke ihren Mann.
    »Eigentlich nicht.«
    »Ich auch nicht.«
    Siobhan zuckte mit den Schultern. »Vielleicht später, ja?«
    Ihr Vater legte einen Finger an die Lippen. »Sie fangen an«, flüsterte er.
    »Womit?«, fragte Siobhan.
    »Mit dem Verlesen der Toten.«
    Und tatsächlich: Sie verlasen die Namen von tausend Opfern des Irakkriegs, Menschen auf allen Seiten des Konflikts. Tausend Namen, Sprecher, die sich abwechselten, ein Publikum, das verstummt war. Selbst die junge Frau hatte aufgehört zu tanzen, stand jetzt nur da und starrte Löcher in die Luft. Siobhan stellte sich ein wenig abseits, als sie feststellte, dass ihr Handy noch an war. Sie wollte nicht, dass Eric Bain sie jetzt mit Neuigkeiten anrief. Sie nahm es aus der Tasche und stellte es auf Vibration. Entfernte sich dann noch ein Stück, blieb jedoch immer in Hörweite der Namensverlesung. Unten konnte sie das Stadion des Hibernian FC sehen, das jetzt nach dem Ende der Saison verlassen dalag. Die Nordsee war ruhig. Im Osten Berwick Law, der auch aussah wie ein erloschener Vulkan. Und die Namen gingen immer weiter und entlockten ihr ein heimliches, reuevolles Lächeln.
    Denn genau das tat sie auch, ihr ganzes Berufsleben lang. Sie verlas die Namen von Toten. Sie nahm letzte Einzelheiten aus deren Leben auf und versuchte herauszufinden, wer sie gewesen

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