Im Namen des Kreuzes
Mannschaft passte ihm den Ball zu. Er stoppte ihn, umdribbelte einen Gegenspieler und wurde vom nächsten umgehauen. Es war immer dasselbe. Patrick betrachtete resigniert sein wieder aufgeschürftes Knie. Im Augenwinkel sah er, dass ein fetter Junge auf ihn zu rannte, um ihm auf den Rücken zu springen. Er wartete bis zum letzten Moment, dann trat er zur Seite und ließ ihn ins Leere laufen. Der Junge stürzte und schrie vor Zorn.
Frater Dominik hatte die Szene beobachtet und näherte sich ihm. Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Das war aber nicht fair.«
Patrick schaute zu Boden und wartete auf das, was kam.
Die anderen Jungen hörten zu spielen auf.
Der Frater ging zu dem dicken Jungen und half ihm auf. So etwas machte er nicht aus Mitleid, das wusste Patrick.
»Hast du dir wehgetan, Steffen?«
Der dicke Junge nickte und zog den Rotz nach oben.
»Soll Patrick dafür bestraft werden?«
Wieder ein Nicken.
»Hast du eine Idee, wie?«
Kopfschütteln.
»Ich schon.«
Er packte Patrick am Nacken. »Komm«, sagte er lächelnd und führte ihn zu Jannis.
»Warum tust du Steffen weh, aber nicht Jannis?«
Patrick schwieg.
»Hörst du schlecht? Warum?«
»Weil er mein Freund ist.«
»Dein Freund? Hat Pater Anselm dir nicht gesagt, dass nur Jesus dein Freund sein soll?«
»Ich glaube schon.«
»Findest du nicht, Jannis hat es viel mehr verdient als Steffen?«
»Nein«, sagte Patrick und seine Stimme zitterte.
Die Jungen bildeten einen Kreis um sie.
»Er sagt Nein.« Der Frater blickte triumphierend in die Runde.
Patrick presste die Lippen aufeinander.
»Ich dachte, du wärst weiter«, sagte der Frater. »Pater Anselm bringt dir doch Demut bei.«
»Ja, jeden Tag.«
»Trotzdem widersprichst du und stellst deine eigenen Regeln auf?« Er wurde immer lauter. »Und machst dich über uns alle lustig?«
»Nein«, schrie Patrick mit dem Mut der Verzweiflung.
Es wurde ganz still.
Patrick sah, dass der Frater vor Wut kochte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
»Du wirst jetzt deinem Freund die Hose runterziehen und ihm so lange in den Arsch treten, bis wir hören, dass er etwas spürt.«
Patrick schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht.«
»Das kannst du nicht? Dann wirst du mit ihm den Platz tauschen.«
Patrick schüttelte verzweifelt den Kopf. Er biss sich auf die Zunge.
»Was ist? Los, entscheide dich!«
Patrick sah Jannis’ ausdruckslose Miene, er sah die feixenden Jungen, den grinsenden Frater. Er wollte nicht gequält und gedemütigt werden. Er zitterte vor Angst.
Da zerbrach etwas in ihm.
Er ging zögernd zu Jannis und zog ihm die Unterhose runter. »Du musst schreien«, flüsterte er, »ganz laut schreien.«
Dann trat er vorsichtig zu. Aber Jannis blieb still.
»Noch mal«, sagte der Frater.
Patrick holte erneut aus und versetzte Jannis einen stärkeren Tritt.
Keine Reaktion.
»Los, fester!«, schrien die Jungs.
Beim nächsten Mal warf Jannis vor Schmerz den Kopf nach hinten, aber er machte keinen Mucks.
Patrick musste ihn weiter treten, immer weiter, auch dann noch, als er längst begriffen hatte, dass Jannis gar nicht mehr schreien konnte.
Irgendwann durfte er aufhören. Frater Dominik legte den Arm um ihn und lobte ihn. An einem Fenster im ersten Stock stand Pater Anselm.
Und Patrick sah, dass er lächelte.
39.
Pastoralreferent Rainer Weber war nicht zum Gespräch mit Dekan Wels und zwei Vertretern des Pfarrgemeinderats erschienen. Dabei ging die geplante Veranstaltungsreihe mit dem Titel Kirche für alle auf seine Initiative zurück. Inzwischen hatte die Pfarrsekretärin auch herausgefunden, dass er seinen Religionsunterricht an der Grundschule unentschuldigt hatte ausfallen lassen.
Das war so ungewöhnlich, dass der Dekan im Beisein der Sekretärin Webers Zimmer mit einem Zweitschlüssel geöffnet hatte. Sie sahen nur, dass die Laufschuhe fehlten. Weber joggte immer frühmorgens.
Aber diesmal war er nicht zurückgekehrt.
Der Dekan wusste, welche Strecke sein Pastoralreferent regelmäßig lief. Er fuhr sie mit dem Wagen ab, obwohl er es für wenig wahrscheinlich hielt, dass er Weber noch finden würde, sollte dieser sich tatsächlich verletzt haben. Anrufe der Pfarrsekretärin in den umliegenden Krankenhäusern blieben ebenfalls erfolglos.
Da entschied Dekan Wels, Rainer Weber als vermisst zu melden. Doch die Polizei erklärte ihm, dafür sei es noch zu früh. Umso verwunderter war er, als wenig später ein Beamter vor der Tür des Pfarrhauses stand und
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