Im Namen des Kreuzes
Gemeinde.
Seinen Gästen stellte er keine einzige Frage.
Schwarz erklärte sich dieses Verhalten mit Rainer Webers Schilderungen aus dem Priesterseminar. Dort war den Aspiranten ja angeblich eingebläut worden, mit niemandem eine tiefere Beziehung einzugehen. Kein Wunder, dachte Schwarz, dass solche Männer eher selbstbezogen sind. Andererseits fand er es angenehm, dass der Pfarrer nicht herauszufinden versuchte, wer sie waren, woher sie kamen – und vor allem, was sie wirklich in Steinsberg wollten.
Aber dann stellte Eva mit Unschuldsmiene die Frage, zu welchem Orden St. Joseph gehöre.
Schickinger musterte sie. »Ich habe gedacht, Sie sind kunstgeschichtlich interessiert?«
»Sind wir auch, aber angeblich hat es da doch einen Wechsel gegeben?«
Er nickte. »St. Joseph war über ein Jahrhundert im Besitz der Benediktiner, bis die es vor drei Jahren aufgegeben haben. Jetzt hat irgendein Jesus-Orden das Kloster übernommen.«
»Die Jesuiten?«
Der Pfarrer schüttelte lächelnd den Kopf.
»Wer dann?«
Schwarz saß wie auf Kohlen. Weshalb spielte Eva so mit dem Feuer?
»Der Orden heißt Sancta Militia Jesu. «
»Bitte? Den Namen habe ich ja noch nie gehört.«
Sie ignorierte Schwarz’ warnenden Blick und setzte noch einen drauf.
»Täusche ich mich, oder mögen Sie diesen Orden nicht besonders?«
Das Thema war Pfarrer Schickinger sichtlich unangenehm, aber schließlich rang er sich doch zu einer Erklärung durch.
»Ich habe noch das letzte Jahr von den Benediktinern erlebt. Der Abt ist öfter hier am Tisch gesessen, und wir haben in der Klosterkirche zusammen Gottesdienste zelebriert. Die Kirche war immer voll, und nach Steinsberg sind viele Touristen gekommen. Aber jetzt …«
Er machte eine wegwerfende Geste. Schwarz sah ihn fragend an.
»Die Militia tut so, als hätte es das zweite Vatikanum nie gegeben. Die sind allen Ernstes zum tridentinischen Ritus zurückgekehrt.«
Schwarz und Eva sahen sich ratlos an. Wovon sprach er?
»Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie wegen der Kunst ins Steinsberg sind«, sagte der Pfarrer plötzlich und musterte sie.
Schwarz reagierte schnell. »Kein Wunder«, sagte er, »als Juden sind wir einfach nicht so versiert in der Kirchengeschichte.«
Diesmal zuckte Eva zusammen.
»Juden, so?«, sagte Pfarrer Schickinger. Sein Blick ging zwischen Schwarz und Eva hin und her.
»Und Sie interessieren sich für katholische Kirchen?«
»Wieso nicht? Waren Sie noch nie in einer Synagoge?«, sagte Eva.
»Ich habe sogar schon an der Klagemauer gebetet und bin mir sicher, dass der Herrgott nichts dagegen gehabt hat. – Juden also«, sagte er noch einmal, »sauber.«
Schwarz hatte den Eindruck, dass ihn das amüsierte.
»Aber Sie haben nach dem tridentinischen Ritus gefragt. Wenn Sie morgen zum Gottesdienst in die Klosterkirche gehen, können Sie es selbst erleben: Dort wird die Messe wie vor fünfzig Jahren auf Lateinisch gefeiert.«
»Und das gefällt Ihnen nicht?«, sagte Eva.
Er schüttelte entschieden den Kopf. »Jesus hat beim letzten Abendmahl auch nicht in einer Fremdsprache zu seinen Jüngern gesprochen. Es geht doch um die Gemeinde und nicht um irgendein nostalgisches Brimborium.«
Er stand auf und holte aus einem Wandschränkchen eine Schnapsflasche aus Steingut und drei Gläser. Schwarz räumte das Geschirr ab.
»Das ist ein Vogelbeer«, sagte der Pfarrer zu Eva, »den habe ich selber gebrannt.«
Sie wehrte mit beiden Händen ab. »Nein, danke.«
»Der schadet Ihrer Gesundheit ganz bestimmt nicht, junge Frau. Im Gegenteil.«
Eva gab nach. Der Pfarrer schenkte auch Schwarz und sich ein Stamperl ein.
Sie stießen an.
»Ich freue mich, dass Sie hier sind. Juden in einem Pfarrhof, das ist wirklich was Besonderes.«
»Danke für Ihre Gastfreundschaft«, sagte Schwarz und kippte den Schnaps hinunter. Eva verzog das Gesicht, bis das Brennen in ihrem Hals nachließ.
»Vor ein paar Tagen«, sagte der Pfarrer, »hat schon mal jemand nach dem Orden gefragt. Ein Herr aus München. Er hat über den Bischof Kontakt mit mir aufgenommen.«
Schwarz wurde hellhörig. Perfall vielleicht?
»Er muss was ermitteln, hat er gesagt, aber ich rede mit keinem, den der Bischof schickt.«
Es war Perfall, dachte Schwarz. Er wollte rausfinden, was Pfarrer Schickinger über die Militia weiß.
»Sie reden nicht mit Ihrem Bischof?«, sagte Eva erstaunt. »Nein.«
»Wegen der Strafversetzung?«
»Genau. Ich habe ein freches Mundwerk, das stimmt. Aber ich tu keinem was zuleide,
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