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Im Namen des Kreuzes

Im Namen des Kreuzes

Titel: Im Namen des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
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müssen.«
    Patrick hielt den Atem an und setzte einen Fuß zurück. Dann den anderen.
    »Du kennst meine Schwäche, o Herr. Und ich habe wieder gefehlt und bin dem Satan gefolgt.«
    Patrick hatte das Regal erreicht. Er drehte sich zur Seite und ging in die Knie, ohne auch nur eine Sekunde den Blick von Pater Anselm zu lassen. Leise schob er den Atlas zur Seite und tastete nach der Kiste. Er schob den Deckel hoch und griff hinein. Er spürte die Gurte. Sie waren ordentlich aufgerollt. Er zog einen heraus und steckte ihn sich schnell unters Hemd.
    Dann richtete er sich langsam wieder auf.
    Pater Anselms Stimme hatte sich verändert. Er war bei der Schilderung seiner Sünde angelangt.
    »Ich habe diesen Jungen in meine Zelle gelockt. Ich habe es getan, Herr, obwohl du mir gesagt hast, dass ich es nie wieder tun darf.«
    Ich weiß nicht, von wem er spricht, dachte Patrick, aber auch diesen Jungen werde ich rächen.
    »Ich hatte ein sehr zärtliches Gefühl und habe mir eingeredet, dann ist es nichts Böses. Ich habe gedacht, der Junge teilt meine Liebe und wartet nur darauf, dass ich ihn zu mir rufe. Ich habe mich damit beruhigt, dass deine Liebe, o Herr, unendlich ist, und in dieser alles umfassenden Liebe auch Platz für meine Sehnsucht ist. Ich habe den Jungen betrunken gemacht, aber nicht mit Alkohol.«
    Das Fläschchen, dachte Patrick, er hat ihm die Droge gegeben.
    »Er ist ganz sanft geworden, ich musste ihn fast nicht drängen, mich zu streicheln – an meiner sündigsten Stelle.«
    Jetzt begriff Patrick, was der Pater mit dieser Beichte wollte. Von wegen: bereuen. Er wollte ihn scharf machen! Er versuchte es tatsächlich schon wieder.
    »Ich habe den Jungen belohnt«, sagte der Pater, »mit meinem sündigen Mund.«
    Ich muss ihn töten, dachte Patrick.
    Er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen traten. Ich muss ihn töten. Ich muss das für alle Jungen im Haus der Gnade tun. Es sind doch nur noch ein paar Schritte. Es ist ganz einfach. Er kniet da und ahnt nichts. Er wird denken, es ist ein Spiel, eines seiner eigenen perversen Spielchen, wenn ich ihm den Gurt um den Hals lege.
    Er wird sich freuen.
    Ich muss nur mit aller Kraft zuziehen und darf nicht mehr loslassen, egal was passiert. Bis es vorbei ist – endlich vorbei.
    Er ging langsam auf Pater Anselm zu. Er hörte ihn nicht mehr, obwohl er immer noch redete. Er sah das Kerzenlicht nur noch verschwommen, denn seine Augen waren voller Tränen.
    Er war jetzt ganz nah bei ihm.
    »Hilfe!«
    Patrick begriff nicht, woher die Stimme kam.
    »Hilfe«, rief sie noch einmal. »Anselm, schnell!«
    Er sah den Pater hektisch an seinem Hosenstall herumfummeln und aufspringen. »Was ist denn?«, sagte er ärgerlich.
    Einer der großen Jungen stand in der Tür.
    »Im Bad … er hat sein Nachthemd zerrissen.«
    »Was?«, schrie der Pater.
    »Er hat sich aufgehängt, am Fenster.«
    Patrick wurde zur Seite gestoßen, der Pater stürzte aus dem Zimmer.
    Die Schritte entfernten sich, die Rufe wurden leiser.
    Er stand wie gelähmt da. Er blickte von dem baumelnden Gurt in seiner Hand zu der Stelle am Boden, wo der Pater gerade noch gekniet hatte, und dann zum Kreuz.
    War das Jesus gewesen?
    Wollte er, dass der Pater weiterlebte? Beschützte er solche Menschen?
    Langsam wickelte Patrick den Gurt auf und schob ihn sich unters Nachthemd.
    Als er in den Flur trat, kamen ihm Pater Anselm und zwei Jungen mit einer Trage entgegen.
    Es war Jannis. An seinem Hals zeichnete sich ein breiter dunkelroter Streifen ab. Unter seiner Nase und an seinem weit aufgerissenen Mund klebte Blut. Patrick hatte das Gefühl, dass sein Freund ihn anstarrte. Seine Augen befahlen ihm, dass er es zu Ende brachte.
    »Ich verspreche es, Jannis«, flüsterte er, »ich verspreche es dir.«

50.
     
    Schwarz wurde durch Glockengeläut geweckt. Es roch nach Kaffee. Noch leicht benommen stieg er die ausgetretenen Treppenstufen hinunter.
    In der Stube wartete Eva schon auf ihn. »Guten Morgen, Anton.« Sie gab ihm einen Kuss.
    »Pfarrer Schickinger?«
    »Ist schon weg. Ich habe mit ihm gefrühstückt.«
    Sie schenkte ihm Kaffee ein.
    Schwarz nahm sich eine nach Hefe duftende Rosinensemmel und tunkte sie ein.
    »Kommst du mit zum Gottesdienst, Eva?«
    »Klar. Schade, dass nicht Karfreitag ist, sonst könnte ich mal hören, wie sie für unsere Bekehrung beten.«
    »Noch dazu auf Lateinisch«, sagte Schwarz.
    Die beiden trafen erst kurz vor Beginn des Gottesdienstes in der voll besetzten Klosterkirche ein. Für

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