Im Namen des Kreuzes
Eva, dass das Wendelstein-Massiv wie eine schlafende Jungfrau aussieht? Schau mal, von rechts nach links: der Kopf mit der Nase, dann die Brust, der Körper …«
»Und woran erkennst du, dass es eine Jungfrau ist?«
»An der unschuldigen Haltung natürlich. Eine erfahrene Frau würde sich nie so aufreizend hinlegen.«
Eva verdrehte die Augen. »Erklär mir lieber, was du in Steinsberg vorhast?«
Schwarz hatte ihr auf der Fahrt aus der Stadt und über die Autobahn Richtung Salzburg bereits von seinem Gespräch mit Perfall erzählt. Er hatte, um bei Eva Eindruck zu schinden, für seine Verhältnisse dramatisch geschildert, wie er in der Falle gesessen und der Militia -Mann trickreich herauszufinden versucht hatte, was er über das Kloster wusste.
»Ich nehme an, dieser charmante Orden wird uns nicht zur Klosterführung einladen«, sagte Eva nüchtern.
»Nein, bestimmt nicht.«
»Und?«
Jetzt wäre es gut, wenn ich einen Plan hätte, dachte Schwarz. Ich habe aber keinen.
»Wie wollen wir vorgehen?«
»Es ist schwierig, nach etwas zu suchen, wenn man nicht weiß, um was es sich handelt«, sagte er.
»Du bist ja ein richtiger Philosoph.«
Schwarz zuckte mit den Schultern und ließ erst mal die vom Regen sauber gewaschene Landschaft auf sich wirken.
»Jetzt schaut der Wendelstein nur noch wie ein unförmiger Klumpen aus.«
»Vielleicht heißt deine Jungfrau ja Maria und ist schwanger.«
»Wenn du blasphemisch wirst, verbrennen sie dich in St. Joseph als Hexe.«
Schwarz’ Handy meldete sich.
Er hatte keine Lust, mit jemandem zu reden. Mit Perfall sowieso nicht, aber auch nicht mit Buchrieser oder Kolbinger.
Unbekannte Nummer. Er riskierte es. Am Apparat war eine Ärztin.
»Ja, sie ist meine Mutter«, sagte Schwarz.
Eva warf ihm einen beunruhigten Blick zu.
»Heute? Ich fürchte, das ist leider nicht möglich.«
Aber die Ärztin ließ offenbar nicht locker.
Schwarz seufzte. »Verstehe.« Er blickte auf die Uhr. »Ich bin in einer halben Stunde da.«
Er legte auf und blies die Backen auf.
»Was ist los, Anton?«
Er verdrehte nur die Augen.
Hildegard Schwarz saß mit verschränkten Armen auf ihrem Bett und stierte ins Leere.
»Was wollt ihr denn hier?«, sagte sie finster, als Schwarz und Eva ins Zimmer traten.
»Sagen Sie ihr, sie soll sich entschuldigen«, rief hinter ihnen die Ärztin.
»Da kann sie lange drauf warten.«
»Vielleicht lassen Sie uns besser mal allein, Frau Doktor«, sagte Schwarz und schloss die Tür zum Flur.
»Jetzt sag mir erst mal, was passiert ist, Mama?«
Seine Mutter schüttelte den Kopf.
Eva nahm sanft ihre Hand. »Hildegard, komm.«
»Behandelt mich bloß nicht wie ein krankes Pferd.«
»Dann red halt!«, sagte Schwarz.
Sie holte tief Luft, machte eine wegwerfende Bewegung – und schwieg.
»Kannst du mal ein Fenster öffnen, Anton?«, sagte Eva.
»Kann er nicht, weil die jetzt kochen, und dann stinkt die ganze Bude nach altem Fett.«
Schwarz seufzte.
»Ich wollte wirklich das Beste aus dieser Kur machen«, sagte seine Mutter. »Ich habe sogar mit anderen Patienten geredet. Aber das hätte ich besser nicht getan.«
»Wieso denn nicht?«
Hildegard senkte die Stimme. »Weil ich hier von Faschisten umzingelt bin. Das ist ihre Klinik hier. Die karren die aus ganz Deutschland an.«
Schwarz warf Eva einen besorgten Blick zu, allerdings weniger wegen der Faschisten als aus Sorge um den Geisteszustand seiner Mutter.
»Wie hast du das denn rausgefunden, Mama?«, sagte er ebenfalls flüsternd.
»Dazu muss man kein Detektiv sein, mein Lieber.«
»Ich bin Privatermittler.«
»Es reicht, wenn du in den Speisesaal gehst und den Leuten zuhörst.«
»Ich glaube, dazu haben wir nicht die Zeit.«
»Muss ich das jetzt wirklich erzählen?«
»Ja, bitte, Hildegard«, sagte Eva.
Sie knurrte unwillig. »Wir haben hier Küchenhilfen aus dem Kosovo, die machen die ganze Drecksarbeit. Wir haben Polinnen und Rumäninnen, die Windeln wechseln und den Patienten den Hintern waschen. Wir haben junge Afrikanerinnen, die nur für den Nachtdienst eingeteilt werden, weil sie vermutlich keine Papiere haben. Sie kriegen fünf Euro die Stunde, haben sie mir erzählt. Fünf Euro!«
Sie holte tief Luft und ballte die Fäuste. »Und dann muss ich mir anhören, wie diese Rentenbetrüger hier, die seit ihrem sechzigsten Lebensjahr keinen Finger mehr krumm machen, lautstark darüber diskutieren, wie man verhindern kann, dass Ausländer den Deutschen die Arbeit wegnehmen.«
Schwarz
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