Im Namen des Kreuzes
während andere jahrzehntelang in der Gemeindearbeit ihr Unwesen treiben. Da drüben im Kloster ist einer, der … ach, ist egal.« Er brach mit einer unwirschen Handbewegung ab.
»Nein, ist es nicht«, rutschte es Schwarz heraus.
Schickinger sah ihn alarmiert an. »Wissen Sie was über den Anselm Schneider?«
Schwarz schüttelte den Kopf. »Ich höre den Namen zum ersten Mal.«
»So?« Der Pfarrer wirkte plötzlich sehr reserviert. Er klopfte zweimal auf den Tisch und stand auf.
»Ich habe morgen Frühmesse – in meiner kleinen Dorfkirche. Danke für die Gesellschaft.«
Er ging, ohne sich noch einmal umzublicken, hinaus.
»Was war denn jetzt los?«, sagte Eva.
Es war eine ungewöhnlich dunkle Nacht. Das Zimmer unter dem Dach war stickig, und Schwarz stand auf, um das Fenster zu öffnen. Vom Kloster St. Joseph waren kaum mehr als die Umrisse zu erkennen. Nur im Hauptgebäude war das Erdgeschoss erleuchtet, und in einem Seitentrakt, in dem die erste Fensterreihe erst vier, fünf Meter über dem Boden begann, brannten einzelne Lichter.
Da fiel Schwarz in der Toreinfahrt des Klosters eine große, dunkle Limousine auf. Ihre Rücklichter glühten rot, der Fahrer wartete offenbar darauf, eingelassen zu werden. Auf der Rückbank saßen, wenn ihn nicht alles täuschte, zwei Personen.
Schließlich öffneten sich die beiden hohen Torflügel. Die Limousine setzte sich in Bewegung und verschwand im Klosterhof. Dann schloss das Tor sich wieder.
49.
»Du darfst die Vigil nicht als Strafe betrachten, sie ist ein Geschenk«, sagte Pater Anselm, während er die Kerzen anzündete.
Patrick rieb sich den Schlaf aus den Augen.
»Morgen ist ja unser großer Festtag.«
Der Junge gähnte.
»Einer der wichtigsten im ganzen Kirchenjahr: Maria Himmelfahrt! Da feiern wir die leibliche Aufnahme der allerheiligsten Jungfrau in den Himmel.«
Patrick nickte.
»Deswegen haben wir auch hohen Besuch aus Italien und sogar Kolumbien bekommen. Du hast sicher die Aufregung bemerkt, die heute den ganzen Tag im Kloster geherrscht hat?«
Patrick nickte.
»Die Zimmer für die Gäste mussten hergerichtet, und die Kirche mit Blumen geschmückt werden. Unser Chor und unsere Musiker haben geprobt.«
Warum erzählt er mir das alles?, dachte Patrick.
»Bei dem ganzen Trubel bin ich leider keinen Moment dazu gekommen, mich zu besinnen. Dabei ist das eine wichtige Pflicht vor so einem hohen Fest. Und in meinem Fall ist eine Seelenerforschung dringend nötig. Ohne sie kann ich unmöglich zur Heiligen Kommunion gehen.«
Sein Ton wurde pathetisch. »Ich habe gesündigt, Patrick. Ich habe schwer gegen das sechste Gebot verstoßen. Mein elendes Fleisch ist schwach geworden.«
Wird er jetzt verrückt?, dachte Patrick. Bin ich der Priester oder er?
Jetzt kniete Pater Anselm sich auch noch an die Stelle unterm Kreuz, wo er sonst immer knien musste. Er faltete die Hände, schloss die Augen und begann mit gesenktem Kopf zu beten.
»O Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehest unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.«
Patrick wurde heiß, das Blut pochte in seinen Ohren. Das war seine Chance. Jetzt konnte er sich rächen – sich und Jannis. Endlich hörte er auch wieder die Stimme seines Bruders. »Los«, sagte der, »sei nicht feig! Wenn du es jetzt nicht tust, tust du es nie mehr.«
Und Jesus schwieg.
Patrick blickte sich vorsichtig um. Die Kiste war hinter dem großen Weltatlas versteckt. Darin lagen die schwarzen Gurte.
Er ging vorsichtig einen Schritt rückwärts. Und noch einen. Aber da fing Pater Anselm plötzlich laut zu rufen an.
»Schenke mir deine Gnade, barmherziger Gott«.
Patrick erstarrte.
Der Pater blickte sich zu ihm um.
»Die Beichte ist ein heiliges Sakrament, Patrick, und nur ein zum Priester geweihter Mann kann im Namen Gottes Sünden vergeben. Anders ist es mit dem Bekenntnis – das darfst auch du entgegennehmen.«
»Ich?«
»Ja, Patrick, weil du endlich begonnen hast, dich deiner Schuld zu stellen und im Zeichen des Kreuzes zu leben. Du bist ein Sünder, aber ein zur Umkehr bereiter Sünder. Deswegen habe ich dich als Zeugen meiner Reue ausgesucht.«
»Aber …«
»Hab keine Angst, Patrick, du musst mir nur dein Ohr leihen – als jüngster Vertreter unserer heiligen Kampfgemeinschaft.«
Patrick schwieg.
»O Herr«, begann Anselm wieder und wandte sich dem Kreuz zu. »Du weißt, wie oft ich gesündigt habe. Du hast jede meiner abscheulichen Verfehlungen mit ansehen
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