Im Namen des Kreuzes
lauschten. In der Kirche waren hektische, halblaute Stimmen zu hören. Die Messe war offenbar unterbrochen worden.
»Danke, es geht schon wieder«, sagte Eva, »ich muss nur an die frische Luft.«
Die Gemeinde beruhigte sich langsam.
Der Bischof stimmte das lateinische Glaubensbekenntnis an.
»Credo in unum deum.«
»Patrem omnipotentem«, fiel das Volk ein, »factorem caeli et terrae.«
Jetzt sangen alle aus voller Brust.
Für Schwarz und den Jungen war das die Gelegenheit, in aller Eile miteinander zu reden.
»Ich heiße Anton Schwarz. Du bist …?«
»Patrick Kellner. Was wollen Sie?«
»Du willst abhauen, stimmt’s?«
Schweigen.
»Sag mir, was im Kloster los ist, dann kann ich dir vielleicht helfen.«
»Sie machen uns fertig.«
»Was heißt das?«
Keine Antwort.
»Schlagen Sie euch?«
»Auch. Sie machen Sachen mit uns. Schweinische Sachen.«
»Anselm Schneider«, flüsterte Schwarz, »sagt dir der Name was?«
Patrick schwieg, aber Schwarz hörte, wie sein Atem schneller wurde.
»Ist das ein Pater?«
»Den bring ich um.«
»Patrick, ich hol dich da raus.«
»Er hat meinen Freund fertiggemacht. Der ist tot.«
»Nicht so laut.«
»Qui cum padre et Filio simul adorator et conglorificator«, schallte es von draußen.
»Ich muss ihn rächen.«
»Hör zu. Morgen, spätestens übermorgen, bist du frei, das verspreche ich dir.«
Keine Reaktion.
»Patrick, hast du mich verstanden?«
Er reagierte wieder nicht.
»Und kein Wort zu niemandem.«
»Wie komme ich hier wieder raus, ohne dass jemand es merkt?«
Das wusste Schwarz auch nicht.
»Ich tu so, als hätte ich Quatsch gemacht«, sagte Patrick. »Die Strafe ist mir scheißegal.«
Draußen spielte die Orgel zur Opferbereitung. Schwarz hörte das Klimpern von Münzen, offenbar waren Ministranten mit Klingelbeuteln unterwegs, um die Kollekte einzusammeln.
»Heut’ Nacht, wenn er mich wieder zur Vigil holt, bring ich ihn um«, sagte Patrick.
Bevor Schwarz antworten konnte, signalisierte ihm ein Poltern, dass der Junge den Beichtstuhl verließ. Er selbst wartete geduldig, bis die Gläubigen zur Kommunionbank strebten. Dann trat er mit frommer Miene aus dem Beichtstuhl, als seien ihm eben seine Sünden erlassen worden. Er stellte sich in die Schlange. Kein Mensch schien Verdacht zu schöpfen.
Als Schwarz allerdings kurz vor dem Altar scharf abbog und zum Seitenausgang strebte, glaubte er, in seinem Rücken misstrauische Blicke zu spüren.
51.
Eva wartete schon ungeduldig an der Tür zum Pfarrhof. Schwarz hob sie aus dem Rollstuhl und trug sie wie eine Braut über die Schwelle. In der Stube setzte er sie auf die Eckbank.
»Hast du irgendwas rausgefunden, Anton?«
Er nickte und schilderte in knappen Worten, wie es ihm dank ihrer kleinen Schauspieleinlage gelungen war, mit Patrick zu sprechen.
»Er hat angedeutet, dass sie im Kloster misshandelt und missbraucht werden. Angeblich soll es sogar zu einem Todesfall unter den Jungen gekommen sein.«
»Glaubst du ihm das?«
»Ich hatte den Eindruck, dass er völlig verzweifelt ist.«
»Dann musst du ihn da rausholen.«
»Das Kloster ist eine Festung, und die Jungen werden bewacht wie Gefangene.«
»Wir müssen die Polizei informieren«, sagte Eva.
Im Flur waren Schritte zu hören. Pfarrer Schickinger brachte den Rollstuhl für Eva in die Stube. Er hatte nach der Frühmesse noch einen Kranken besucht und ein Gespräch mit zwei jungen Leuten geführt, die demnächst kirchlich heiraten wollten.
»Ich muss Sie sprechen«, sagte Schwarz, »dringend«.
Der Priester führte ihn in den Obstgarten hinter dem Pfarrhof.
»Den hat vor über hundert Jahren ein Vorgänger von mir angelegt. Wir haben vierzehn verschiedene Apfel- und Birnensorten.«
Aber Schwarz interessierte sich gerade nicht so für den pastoralen Gartenbau.
»Sagen Sie mir jetzt bitte alles, was Sie über Anselm Schneider wissen.«
Der gerade noch freundliche Gesichtsausdruck des Priesters wurde abweisend.
»Wieso?«
»Ich habe mit einem Jungen sprechen können, der im Kloster untergebracht ist. Da passieren offenbar schreckliche Dinge.«
Schickinger musterte ihn. »Wer sind Sie?«
»Ich heiße Anton Schwarz, das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
»Aber Sie sind kein Tourist.«
Schwarz zögerte. Konnte er dem Pfarrer trauen? Sein Gefühl sagte ihm: ja.
»Gut, also: Ich bin Privatermittler und versuche herauszufinden, weshalb Pfarrer Heimeran und Pastoralreferent Weber sterben mussten.«
»Rainer auch?«
»Er ist
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