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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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werde Dich küssen.«
    T macht die Augen auf und schaut sie an. Sie hat die Arme verschränkt, ein Bein ist ein wenig nach innen gedreht. Man würde meinen: eine nachdenkliche Haltung. Sie geht zu ihm hin, bückt sich, die rötlichen Haare fallen ihr ins Gesicht, sie nimmt sie mit den Händen zur Seite und neigt ein wenig den Kopf. T dreht seinen Kopf genau andersherum und trägt seinerseits zum Gelingen bei, indem er ihr die letzten Zentimeter entgegenkommt. Die zwei Lippenpaare berühren sich, prallen leicht zurück, um sich sogleich wieder zu vereinen. Sie pressen sich leicht aufeinander.
    Die Berührungen werden weicher und fester. Sie versuchen, das Fleisch des anderen zu schnappen. Die Berührung ist kurz, aber lang genug. Beide atmen Luft durch die Nase aus und spüren die Wärme des anderen am Kragen. Dann hören sie den feinen, fast unhörbaren Schmatz, mit dem sie sich voneinander lösen. Suzanne steht wieder, dreht sich um und geht bis zum Rand des Bürgersteigs. Sie beobachtet mit verschränkten Armen den Verkehr, der schnell näher kommt.
    T braucht ein bisschen, bis er aufsteht und zu ihr geht. Als er bei ihr angekommen ist, hat sie bereits ein Taxi angehalten. Bevor es richtig zum Stehen gekommen ist, dreht sie sich zu T und sagt: »Time to go to bed : Es ist schon spät.«
    T hält ihr die Tür auf. Während Suzanne in den Wagen steigt, weiß er nicht, woran er ist, aber da sie keine Anstalten macht, sich zu verabschieden, steigt er ebenfalls ein. Sobald sie unter einem Dach sind, fällt ihm auf, dass Suzanne dem Fahrer noch keine Adresse genannt hat. Mehr noch, alles spricht dafür, dass sie gar nicht beabsichtigt, es zu tun. In einem lichten Moment begreift T, dass er die Entscheidung fällen soll. Sie hat beschlossen, dass er diesmal für sie zwei entscheiden soll.
    So ist es schließlich er, der in seinem bescheidenen, unsicheren Englisch sagt: »Pennsylvania Hotel, please.«
    Dann sucht er ihre Hand auf den mit Kunstleder gepolsterten Sitzen. Und findet sie.
    ***
    T hat nur wenige Minuten richtig tief geschlafen. Oder zumindest scheint es ihm so.
    Mit einem Mal fehlt ihm Suzannes Körper. Davon wacht er auf. Vielleicht auch von der elastischen Bewegung der Matratze, als diese um ihr federleichtes Gewicht erleichtert wird. Ihm bleibt nur ein Stück warmen Lakens, das leer an seiner Schulter liegt.
    »Wo gehst Du hin?«, brummelt er erschrocken.
    »Schlaf weiter«, sagt Suzanne.
    T schießt trotzdem wie eine Feder in die Höhe und reibt sich die Augen. Im Versuch, die Dunkelheit zu vertreiben. Die rote Digitalanzeige des Radioweckers blinkt: zehn nach sechs. Überstreifen von Kleidung, Schritte auf dem Teppich, das Klacken eines Schalters. Für einen Moment blendet ihn das Licht im Bad, dann schließt sich die Tür und es bleibt nur ein schmaler, erleuchteter Schlitz.
    Dreckige Stille: leichtes Rumoren des Verkehrs, die Air-Condition, das Atmen der schlummernden Stadt … T möchte nicht mehr einschlafen. Er hört die Geräusche der Leitungen; das Wasser fließt durch die Venen des Gebäudes. Er würde gerne mehr sehen. Alles, was an nächtlichen Strahlen durch das Fenster dringen könnte, wird von dem Vorhang betäubt. Er stellt die Füße auf den Boden, macht die Lampe auf dem Tischchen an. Das andere Bett im Zimmer, in dem er gewöhnlich schläft, hat sich in eine Ablage für mehrere Kleidungsstücke verwandelt. So werden sie nicht verknittern.
    Auf dem Teppich stehen ein paar Schuhe mit halbhohen Absätzen. Dicht daneben: seine eigenen Schuhe und seine Unterwäsche. Das Licht tut weh. Er schaltet das Lämpchen aus. Er bekommt Lust, zu rauchen. Beschließt, es noch nicht zu tun. Lieber warten und sehen, ob er noch schlafen wird oder endgültig aufsteht.
    Plötzlich fühlt er sich so nackt unwohl. Er macht erneut das Licht an, erobert seine Unterhose vom Boden zurück und zieht sie sich an. Macht das Licht wieder aus und bleibt im Bett sitzen. Ein Zustand milder Schlaflosigkeit.
    Als es sechs Uhr siebzehn auf der roten Digitalanzeige des Weckers ist, öffnet sich die Badtür. Im Licht zeichnet sich für einen Moment Suzannes Silhouette ab. T beugt sich zum Tischchen hinüber und sucht erneut den Lichtschalter.
    »Lass das Licht aus«, sagt die Silhouette flüsternd.
    »Schlaf weiter, es ist noch viel zu früh.«
    »Wohin gehst Du?«
    Die Silhouette zieht sich an: das Kleid, die Schuhe …
    »Ich muss noch mal zu Hause vorbei.«
    »Ich bringe Dich hin.«
    »Nein, ich hab’s eilig.«
    T steht auf:

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