Im Namen Des Schweins
genießt wie etwa Paris oder Venedig. In Ts Augen ist sie ein Traum:
Die Leute sehen aus wie aus der Benetton-Werbung, die Wagen wie aus der Max-Factor-Werbung und die Wolkenkratzer wie aus einem Spiderman-Film. Mehr kann man doch von einer Kulisse für eine springtime romance nicht erwarten. Es gelingt ihm gerade noch, der Versuchung zu widerstehen, poetische Hymnen auf diese Stadt im Frühling zu verfassen: die Sonne auf den Taxis, die Ramschbuden und Hot-dog-Wägelchen … Die Hupen allerdings klingen heute in seinen Ohren wie Kontrapunkte, Zwölfton-Effekte oder sogar wie tanzbare Rhythmen. Es ist ihm schon klar, dass er mit seinen 43 Jahren alle Symptome aufweist, den Verstand für eine Halbirin von 24 Jahren zu verlieren, die er kaum kennt. Einmal bleibt er sogar stehen und denkt darüber nach, während er so tut, als würde er sich das Schaufenster eines Schuhgeschäfts anschauen. Es gelingt ihm, folgende Frage zu formulieren, während sein Blick auf zwei Kaimane gerichtet ist, die sich in mexikanische Stiefel mit Absätzen verwandelt haben: »Darf ich mich rückhaltlos dieser schwach begründeten Glückseligkeit hingeben? Wäre es nicht klüger, mich wie der ungläubige Erwachsene zu verhalten, der ich eigentlich bin, und mich auf die Antiklimax vorzubereiten, die früher oder später einsetzen wird?« An diesem Morgen aber wäre keine Erwägung in der Lage gewesen, die pure Lust, Gefühle zu genießen, zu zügeln: »V« is very, very, extraordinary. Mit seiner Kappe auf dem Kopf läuft er wie ein Operettenire dahin, lacht ohne offensichtlichen Grund und hält der Welt seine Brust hin wie einer, dem keine Kugel etwas anhaben kann.
Die 7. ist auf ihrem morgendlichen Höhepunkt. Auf der 34. gibt es mehr Stände denn je. Er bleibt vor einer Schmuckhandlung stehen und begutachtet das Schaufenster: Anhänger, Armbänder, Ketten, Ringe …
Alles in allem ein ziemlich vulgäres Design. Er braucht selbstredend einen Ring, der besonders smart & cool ist. Der weder allzu vergoldet ist noch zu sehr glänzt. Unbedingt einen, der jegliche Tendenz zum Kitsch abschwächt. Andererseits muss ein Verlobungsring, wie cool er auch immer sein mag, teuer sein. So teuer, dass man ihn sich gerade noch so leisten kann. Das genau unterscheidet einen echten engagement ring von irgendeinem x-beliebigen Ring, stimmt’s? Stimmt. Gut: Wie viel kann er gerade noch so ausgeben? Ihm wird sofort klar, dass sich sein finanzieller Spielraum auf einem Kontinent ohne romanische Ruinen mit dem monatlichen Kreditrahmen seiner VISA-Karte deckt. Mehr gibt’s nicht. Nach einigen mentalen Algorithmen kommt er zu dem Schluss, dass ihm zusätzlich etwa zweitausend Dollar abgebucht werden dürfen, ohne sein Überleben für den Rest des Monats zu gefährden.
Ist das viel? Wenig? Ist das genug für einen nennenswerten engagement ring ? Mehr Kapital hat er momentan nicht, weshalb das Budget zweifelsohne angemessen ist.
Gut: Tiffany wurde bereits vor ein paar Tagen verworfen. Er läuft hinüber bis zu den Vierzigern. Auf der Fifth Avenue denkt er an Bulgari. Als er vor der Tür steht, traut er sich nicht hineinzugehen. Wie ein Sicherheitstrakt kommt ihm das Geschäft vor. Dagegen ist ein Stückchen weiter unten eine Boutique mit Uhren und viereckigen Schmuckstücken: sehr teuer und ziemlich cool, aber nicht wirklich smart. Danach versucht er es bei den jüdischen Läden auf der 47., wo ihm das Design ebenso orthodox vorkommt wie die Leute, die hier mit ihren Hüten und Löckchen und Gehröcken unterwegs sind. Die Zeit verfliegt. Er läuft durch die Straßen und achtet aufmerksam auf die Schaufenster. Bald ist es Zeit fürs Mittagessen, aber er widersteht der Versuchung, Suzanne wiederzusehen, ohne seinen Einkauf erledigt zu haben. Es ist die Verbohrtheit eines Perfektionisten, der das Risiko eingeht, damit anderes zu zerstören. Wie ein Jugendlicher, der mit einem Liebesbrief angibt. Der Ring ist für ihn zu einem Garanten geworden, einem Amulett. Als würde die Hartnäckigkeit und Beharrlichkeit dieser Suche sie davor schützen, dass die Geschichte schiefgehen kann, stimmt’s? Nein: stimmt nicht. Und trotzdem ist es so.
Er sucht eine öffentliche Telefonzelle am Rockefeller Center auf und ruft im Institut an. Debie-Diane Keaton ist am Telefon. Sie sagt, Suzanne sei bereits zum Essen gegangen. T ist beinahe froh darüber, weil er sich dadurch keine Ausrede ausdenken muss, warum es mit dem Mittagessen nicht klappt. Als er den Hörer auflegt, kommt ihm
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