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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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Fresien und Anemonen gut wäre. Schlicht, farbig, duftend: ein Frühlingstupfer auf Suzannes Tisch im Büro.
    Aber wachsen Fresien und Anemonen in Amerika? Was heißt wohl »Blumenhandlung« auf Englisch? Flower shop? Little shop of horrors? Solcherlei liebenswerte Rätsel vermehren sich in Ts Kopf wie eine Bande von Kaninchen. Er spürt im ganzen Körper eine euphorische Ungeduld, die noch angefeuert wird von Nat King Cole, der ihm nicht aus dem Kopf will: Take my heart and please don’t break it / ’Cause LOVE was made for you and me.
    Auf dem Rückweg ins Hotel beschäftigt ihn die Frage, ob es in diesen fortgeschrittenen Zeiten der Weltgeschichte altmodisch oder sogar kitschig sein könnte, Blumen zu verschicken. Und seien es auch Anemonen. So als würde man vor einer Dame den Hut ziehen oder »Jesus Maria« sagen, wenn jemand niest. Die Lösung liegt in dem Ratschlag, der ihm letzte Nacht mit auf den Weg gegeben wurde: »Sei spontan, das ist am besten.« Also gut: Dann wird er sich genau daran halten und spontan sein. Und so begibt er sich zur Rezeption.
    Dort wendet er sich an den Schalter, an dem ein WASP-Mädchen, das gekleidet ist wie eine Stewardess, touristische Busexkursionen in die ethnisch interessanteren Stadtteile verkauft. Excuse me, sagt T und greift sich absurderweise an die Krempe seiner Kappe, I wanna send some flowers to my girlfriend, and I’m wondering where can I buy it. Trotz manch überflüssiger und fehlerhafter Erklärung versteht das Mädchen, was er von ihr will. Sogar eine gewisse Solidarität mit dem girlfriend ist ihr anzumerken, die auf so altmodisch-romantische Weise verehrt wird. Sie kommt hinter ihrem Tischchen hervor, das mit Fotos von Harlem und Chinatown tapeziert ist, und zeigt T einen Flur im Hotel: eine winzige Geschäftszeile. Am liebsten würde er den Arm um dieses entzückende Geschöpf legen und nachhaltige Spuren auf ihren Lippen hinterlassen, aber er wagt lediglich, auf verführerische Weise Thank you zu sagen.
    Zwischen den Zeilen mag sie selbst heraushören, dass sie ein Traum von einem Mädchen ist, sein Herz aber einer anderen gehört.
    Das Verschicken der Blumen erweist sich als einfach. Von Fresien oder Anemonen fehlt in der Blumenhandlung zwar jede Spur, aber es gibt orangefarbene Tulpen, die ihm fast noch besser gefallen und es ihm ganz besonders angetan haben. Der Laden wird beherrscht von einer schwarzen Big Mamma, die ihm verspricht, den Strauß ganz nach Ts Vorstellung zu binden: Von wegen old fashioned, nein, smart & cool! Die gute Frau erläutert die Adjektive als European Style, isn’t it? Außerdem erkundigt sie sich, ob ein persönlicher Gruß hinzugefügt werden soll, was T verneint. Big Mamma hat intuitiv erfasst, dass sie einen frisch Verliebten vor sich hat, der sich wie ein Prinz fühlt, und bringt ihre absolute Gewissheit zum Ausdruck, dass die Blumen seinem Mädchen sehr gefallen werden. I hope so, sagt T und lächelt: I’m for asking her to marry me. Was auch in seinem Englisch verständlich genug klingen muss, da die Dame ihre hellen Handflächen gerührt zwischen den riesigen Brüsten zusammenlegt und sagt: God bless you, son, I’m sure she will say yes.
    Angefeuert von dem Glanz romantischer Sehnsüchte, den er in den gelblichen Augen einer einhundertfünfzig Kilo schweren Floristin sieht, kommt es so dazu, dass T meint, außer den Blumen auch einen Ring zu brauchen. An engagement ring, um genau zu sein. Das ist es. Er kennt das Wort engagement. »Verlobung«. Das klingt in seinen Ohren nach physischer Bindung, einer Mischung aus »Verschränkung« und »Vereinigung«.
    In der Tat bedeutet es auch »Kampfhandlung«, aber kein halbwegs sensibler Mensch hätte dies T an jenem Vormittag verraten. Andererseits ist es jetzt bereits halb elf; zu spät für ein breakfast mit Suzanne. Das Beste wird sein, sich mit einem ordentlichen engagement ring ausgestattet zum Mittagessen zu treffen. Falls es mittlerweile Kitsch ist, Blumen zu verschenken, wäre naturgemäß ein Verlobungsring noch viel schlimmer: so etwas wie ein Attentat auf die Transpostmoderne. Getreu dem Motto, seinen spontanen Impulsen zu folgen, beschließt er, den restlichen Vormittag wie ein verliebter Dinosaurier damit zu verbringen, in der Stadt nach einem Ring zu suchen.
    Diese Stadt, die in den letzten Tagen mehr und mehr in den Hintergrund gerückt war, erweist sich wieder einmal als eine plenty of colours. Unbegreiflich, warum sie nicht ebenso einen romantischen Ruf

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