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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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»Gib mir drei Minuten, ich komme mit.«
    »Nein, wirklich: Wenn ich nicht sofort losgehe, komme ich zu spät ins Institut.«
    T möchte nicht auf sie hören. Er setzt sich wieder aufs Bett und sucht tastend auf dem Teppich nach seinen Strümpfen. Aber Suzanne ist bereits angezogen, bevor er den zweiten gefunden hat. Sie hat Tschüss gesagt und geht zur Tür. Er versucht, sie aufzuhalten, aber sie hat schon die Türklinke in der Hand.
    »Warte …«, bittet er. Er nimmt sie halb in den Arm und küsst sie hastig dicht neben das Ohr, zweimal, dreimal. »Bis später«, sagt T.
    »Tschüss«, wiederholt sie.
    Die schwere Tür, die aussieht, als wäre sie gepanzert, öffnet sich und das matte Licht des Korridors dringt herein. T beugt sich aus dem Türrahmen, sieht, wie sich Suzannes Rücken entfernt und um die Ecke biegt.
    Jede ihrer Bewegungen setzt ein komplexes Räderwerk unter dem eng anliegenden Wollkleid in Gang. Einen Moment lang bleibt er wie hypnotisiert stehen. Er mag die Tür nicht schließen, allein bleiben, in der Dunkelheit seines Zimmers.
    Aber er hat lediglich die Unterhose und nur einen Strumpf an, so dass er hineingeht und sich aufs Bett setzt. Er überlegt, ob ihm noch Zeit bleibt, sich flink anzuziehen, hinter ihr herzurennen und Suzanne noch einzuholen, solange sie auf ein Taxi wartet. Jetzt dürfte sie vor den Aufzügen stehen. T hat den zweiten Strumpf gefunden und zieht ihn an. Sie dürfte bereits hinunterfahren … 14. Stock, 12. Stock, 11. Stock. T macht sich klar, dass er nicht auf die Straße hinaus kann, ohne vorher kurz ins Bad zu gehen. Wenigstens pinkeln, sich das Gesicht waschen und sich ein wenig kämmen … 7. Stock, 6. Stock, 5. Stock. T legt sich mit dem Rücken aufs Bett: Es wird besser sein, sich zu duschen, saubere Sachen anzuziehen und sie später zum richtigen Zeitpunkt zum breakfast anzurufen. Die rote Digitalanzeige zeigt 06:28 an … Es wird kühl am nackten Oberkörper. Er ist zu faul, um aufzustehen und die Air-Condition auszuschalten. Besser noch einmal unters Laken schlüpfen. Nur kurz. Suzanne dürfte das Gebäude bereits verlassen haben und ein paar Schritte über den Bürgersteig gehen. Vielleicht hat ihr der Goliath ein Taxi gerufen … Ach Quatsch: Goliath ist sicher noch gar nicht im Dienst. Also dürfte sie tatsächlich ein paar Schritte über den Gehweg machen: clinc, clonc, clinc, clonc …
    Über diesem Gedanken ist er eingeschlafen.
    ***
    Der Wecker war nicht gestellt. Ts innere Uhr lässt ohne Einspruch zu erheben, acht Uhr verstreichen. Er öffnet die Augen, als der Lärm des Verkehrs bereits in vollem Gange ist und das Tageslicht mit aller Gewalt durch den Vorhang dringt. Beim Hochziehen der Jalousien bekleckert die junge, ungestüme Sonne die höheren Stockwerke im Innenhof, und als er das Fenster eine Handbreit öffnet, dringt etwas ins Zimmer, was er als Frühlingsduft in der Stadt wiedererkennt. Ein weiterer Frühling, der alle erlebten Frühlinge in sich trägt. Er schaltet das Radio an und zufällig läuft L.O.V.E von Nat King Cole: »L«, is for the way you look at me / »O « is for the only one I see / »V« is very, very extraordinary / »E« is even more than anyone that you adore. Auf dem Bett neben ihm liegt außer seiner Kleidung nichts mehr. Auf dem Boden nur seine Schuhe. Gleichwohl spürt er die unsichtbare Erinnerung, den Geruch, eine Ahnung. Zähne putzen, rasieren, duschen, das auberginefarbene Hemd anziehen und sich mit einem Hauch Boucheron einsprühen. Alles zur Musik des Radios als eine Abfolge tänzerischen Hochgefühls. Sogar die Lederkappe setzt er auf.
    Die im Aufzug zusammengepferchten Gäste erscheinen ihm auf dem Weg nach unten ungewöhnlich höflich zu sein. Der Sicherheitsdienst an der Rezeption wirkt an diesem Vormittag strahlend elegant auf ihn.
    Die Straße scheint ihm die pittoreskeste Straße auf der ganzen Welt zu sein, Business-Leute mit Idealgewicht, Rolex-Verkäufer, die ihre heiße Ware für fünf Dollar feilbieten, Besoffene im Trenchcoat. Die Gemeinschaft der Raucher vor der Tür des Cafés erscheint ihm noch rührender als ohnehin schon, der große Kaffee schmeckt nach Nektar und die erste kleine Lucky Strike ist ein in Rauch sublimierter Gaumenkitzel. Die Zeit ist zu knapp, um alle Früchte dieses Garten Edens zu genießen: Zuerst müssen schleunigst ein paar Blumen verschickt werden. Obwohl er von Blumen etwa so viel versteht wie von Malerei oder Forellenbächen, kommt ihm in den Sinn, dass eine Kombination aus

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