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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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meine ich todernst.«
    P schüttelt den Kopf: »Ich verstehe das überhaupt nicht …«
    »Glaub mir. Du hast ja selbst gesehen, dass in den letzten drei Stunden keine Menschenseele hierhergekommen ist. Sie gehen lieber ohne zu frühstücken zur Arbeit, als jetzt mit Dir zu reden. Es wird auch niemand zum essen kommen.«
    »Aha … Dann wird es vermutlich am besten sein, wenn sie mich lieber früher als später hier herausgehen sehen …«
    Sie sagt nichts. P nimmt sein Päckchen Tabak und sein Feuerzeug und zieht sich den Anorak über.
    »Warte, Du bekommst noch das Geld für die Stunden heute Morgen.«
    »Nein, nein, Du schuldest mir gar nichts. Die Kasse ist leer, und offenbar ist das meine Schuld.«
    »Das spielt doch keine Rolle … Hast Du überhaupt schon was gegessen?«
    »Nein … Ich kaufe mir gleich irgendwas beim Metzger.«
    »Du kannst Dir jetzt nichts mehr im Dorf kaufen …
    Mach Dir noch ein Sandwich, bitte, bevor Du gehst.
    Nimm Dir einfach, was Du magst.«
    »Das ist lieb von Dir, aber ich habe im Moment überhaupt keinen Appetit.«
    Alles ist total absurd. P überkommt ein starkes Gefühl von Unwirklichkeit, als er die Treppen hinunter auf die Straße geht.
    Draußen ist die Welt weiterhin ununterscheidbar weiß.
    Was weiter als drei Meter entfernt ist, verschwimmt bereits, alles dahinter verschwindet. Man hört ein Husten. Dann Stimmen, die unter den Arkaden entlang gehen. Körperlose Stimmen, die durch den Nebel schweben. Es ist besser, nicht auf dem Gehweg zu laufen, um nicht auf dem verharschten Schnee auszurutschen. Er tastet sich auf der Fahrbahn an den geparkten Autos entlang. Fast wäre er am Zaun des kleinen Gartens vorbeigelaufen. In dem Augenblick, in dem er die untere Tür aufschließt, fährt ein Auto langsam am Haus vorbei. P dreht sich um: Es ist ein schwarzer, vollständig vom Schnee befreiter Porsche mit Schneeketten. Als er im Durchgang steht, hat er das Gefühl, aus einer Wolke heraus auf die Erde zurückzukehren. Selbst hier drinnen gefriert der Atem noch und auch noch in der Diele.
    Als Erstes schaut P auf dem Balkon nach, ob die Katze ihn gehört hat und sich eingefunden hat. Aber man hört kein Maunzen und sieht lediglich dieses immer gleiche, weiße Nichts aus Schnee und Nebel. Sofort den Ofen anheizen … Sich mit ein paar praktischen Handgriffen beschäftigen, um sich ein bisschen abzulenken. Er zieht sich zusätzlich das Sweatshirt über und die Hausschuhe. Der Sack mit dem Koks ist geleert, nachdem er den Ofen randvoll gemacht hat. Drei oder vier Säcke müssten aber noch in dem anderen Zimmer stehen, die er als eiserne Reserve aufgehoben hat. Als er sich den Ruß von den Händen abwaschen möchte, fällt ihm wieder ein, dass es kein fließendes Wasser mehr gibt. Immer noch im Anorak geht er in die Küche, um den letzten Wasserbehälter zu öffnen.
    Er trinkt ein ganzes Glas, um den Durst zu löschen, den die vier oder fünf zuckersüßen cortados verstärkt haben, die er in der Frühe getrunken hat. Vielleicht hat er ja wirklich Fieber. Außerdem fühlt sich der Bauch komisch an. Er würde gern aufs Klo gehen und Stuhlgang haben. Da kommt ihm die Idee, die Pfanne mit Schnee zu füllen und ihn zum Schmelzen zu bringen.
    So hätte er wenigstens Wasser für die Spülung.
    Er macht sich an die Arbeit: Mit der Feuerschaufel holt er sich haufenweise den bereits festen Schnee herein, zerkleinert ihn, legt ihn in die Pfanne und stellt sie auf den Ofen. Danach geht er in das andere Zimmer, um einen neuen Sack mit Holz zu holen. Er öffnet die Tür, knipst den Lichtschalter an. Die Glühbirne, die von der Decke hängt, geht an: Dort, wo er erwartet hätte, dass mindestens drei Kohlensäcke gegen die Wand gelehnt stehen, ist nichts als gähnende Leere. Besser gesagt, die fuchsienrosa gestrichene Wand. Es ist absurd, hinter die Tür zu schauen, aber er macht es trotzdem. Und es ist ebenso absurd, in den anderen Räumen nachzuschauen, aber er macht auch das. Es ist ja nicht viel absurder, als sich damit abzufinden, dass sich drei oder vier Säcke Koks die jeder zwanzig Kilo wiegen, in Luft aufgelöst haben. Die plausibelste, logische Erklärung wäre, dass jemand in der Wohnung war und die Säcke mitgenommen hat. Der Gedanke kommt ihm überhaupt erst nach mehreren Sekunden vollständiger Verblüffung. Dabei klingt es ebenso absurd, dass jemand in seine Wohnung einbricht, um so schwere Säcke zu klauen. Er schenkt sich noch ein Glas Wasser ein. Auch das trinkt er in großen Schlucken

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