Im Namen Des Schweins
Hühnerflügelchen wie ein gleichgültiger Nero mit Blick auf sein Rom. Es sind Momente unendlichen Glücks: Die Vergangenheit ist abgeschlossen. Das Leben kann bei Null anfangen: Es kann es wirklich, ganz sicher, so fühlt es sich in diesem Augenblick an.
Als er seinen Bauch zufriedenstellend gefüllt hat, überlegt er, noch auf einen Whisky in der Bar auf der 33. vorbeizuschauen, um den Rausch des Augenblicks länger auszukosten. Dann wurden es vier. Die vormals psychologische Euphorie ist Alkohol geschwängert, als er auf dem Weg zurück in sein Hotel unter einem dunklen Baugerüst auf der 33. einem großen, dünnen Weißen begegnet, der ein graues Kapuzensweatshirt trägt. Der Typ baut sich vor ihm auf, hat die Hände in sein Sweatshirt vergraben und nuschelt etwas Unverständliches. T entschuldigt sich dafür, ihn nicht verstanden zu haben. Der Typ reagiert ungehalten: » The time! The time! What’s the time!«
T denkt, vielleicht wolle er ihm die Uhr klauen. Er freut sich fast darüber. Zunächst wird er ernst und hält dem Typ das Handgelenk unter die Nase, als solle er sich lieber noch einmal genau überlegen, ob es sich lohnt, sich wegen einer dicken Uhr von Casio, die lediglich hundert Dollar kostet, mit einem Unbekannten von seiner Statur und Form anzulegen. Der Typ fokussiert Ziffernblatt und Digitalanzeige, murmelt die Uhrzeit vor sich hin und macht Anzeichen, weiterzuziehen, ohne sich zu bedanken. T dagegen steht bereits unter der Wirkung aus Alkohol und Adrenalin:
» Hey, you, wait a moment!«, sagt er. Er zeigt sich im Profil und hält den Typ mit seiner linken Hand am Ärmel. Der Typ holt die rechte Hand aus der Mitteltasche:
» What d’you want?«
»I like your shirt …«
»Do you really?«
Der Typ wahrt die Fassung, scheint sich aber lieber jetzt als gleich aus dem Staub machen zu wollen, wie sein Blick nach links und rechts verrät, als suche er Zeugen. T lächelt. Ausschließlich mit den Lippen. Er will böse aussehen: »Sure, it looks very nice … Where did you buy it?«
»I don’t remember … Leave me alone.«
T schaut ihm einen Augenblick lang fest in die Augen und spürt dessen Angst. Genau in diesem Moment packt er mit beiden Händen den linken Ellbogen, der wie ein Henkel absteht, weil die linke Hand noch in der Mitteltasche steckt und schleudert ihn im Stil eines Hammerwerfers um die eigene Achse. Er lässt den Griff gezielt so los, dass er rückwärts in die fast undurchdringliche Dunkelheit unter dem Gerüst stolpert. Dem Typ bleibt genug Zeit, um zu schreien: Help!
Aber es kommt kaum mehr als ein Krächzer heraus, der schlagartig durch den gewaltsamen Aufprall gegen einen Rollo unterbunden wird. Nun hat er keine Zeit mehr. T hüpft wie ein Boxer mit kleinen Sprüngen auf ihn zu und donnert ihm einen Haken mit der Rechten gegen den Unterkiefer. Der exakt waagrechte Schlag lässt den linken unteren Eckzahn mit einer solchen Gewalt gegen den oberen krachen, dass der obere, schwächere, von der Wurzel her abbricht. Es hebelt ihm den Kieferknochen aus, so dass ein Nerv einklemmt, was dazu führen kann, unmittelbar das Bewusstsein zu verlieren.
Der Typ hockt total groggy am Boden. Er bewegt seine Arme und Beine, kann aber nicht mehr aufstehen. Er versucht es so wie ein Kind, das sich zu lang als Kreisel gedreht hat. Schreien kann er auch nicht mehr. Schon gar keine artikulierten Worte. Der Kiefer ist am Arsch und ein Teil seines Stimmapparats ist von der Verletzung wie betäubt. T geht auf ihn zu, um seine Arbeit zu Ende zu bringen. Er erwägt einen Tritt in die Rippen.
Dem Typ rinnt blutiger Schleim aus dem Mund, der gleich auf das Sweatshirt zu tropfen droht. »Na, was sind wir denn für ein Ferkelchen …«, sagt T zu ihm auf Spanisch. Er versucht ihm das Kleidungsstück auszuziehen. Der Typ verhält sich eigentlich nur noch wie eine Puppe, die beharrlich zwinkert und T dabei anschaut, ohne zu begreifen, was der mit ihm vorhat. Schlussendlich schlupft er mit dem Kopf aus dem Sweatshirt, ohne dass es Flecken bekommen hat. Der Typ versucht jetzt, in seinem Trägerhemdehen erneut aufzustehen. Er stützt sich auf seine feingliedrigen, weißen Arme und versucht, irgendetwas Vernünftiges mit seinen Beinen auf die Reihe zu kriegen.
Als er kurz davor ist, es zu schaffen und es ihm gelingt, sich mit einem Bein auf den Boden zu knien, ändert T seine Meinung hinsichtlich des vorgesehenen Gnadenstoßes. Er tritt ihm mit der Ferse gegen den Backenknochen. Das bricht ihm sofort das
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