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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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Mütze legt, um die Begrüßung möglichst förmlich zu halten.
    »Varela«, sagt der Kommissar zu ihm. »Gibt es bei uns hier jemanden, der etwas von Poesie versteht?«
    »Poesie?«
    »Ja, Poesie. Ich müsste mal jemanden konsultieren, der etwas von Gedichten versteht.«
    Varela sieht aus wie ein unvorbereiteter Student bei einer schwierigen Frage und sucht auf die Schnelle einen Ausweg: »Ich weiß nicht … Soll ich Sie mit einem Psycho verbinden?«
    Der Kommissar schaut ihn, unabsichtlich, über den oberen Rand der Brille an, genau so, wie er es gewöhnlich bei einer Vernehmung macht: »Und dürfte man erfahren, was Psychos mit Poesie zu tun haben?«
    »Na ja … ich weiß nicht … die kennen sich doch mit vielen komischen Dingen aus …«
    Der Kommissar erinnert sich an die ausufernden Abschweifungen Puértolas. In gewissem Sinn findet er die Antwort Varelas daher überzeugend. Er erlöst ihn von seinem Blick und gibt ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er sich setzen möge. Aber er ist noch nicht ganz in seinem Büro, als er sich umdreht und ihm erneut eine Frage stellt: »Varela: Finden Sie, dass ich aussehe wie ein Notar?«
    »Ein Notar … Von was …?«
    »Ein Notar, Varela, ein Notar: einer von denen, die beglaubigen … Urkunden … Testamente …«
    Varela versteht weder genau, wonach er gefragt wird, noch welche Antwort für ihn am günstigsten wäre, aber schaut den Kommissar für alle Fälle von der Seite so an, als würde er ehrlich und objektiv abwägen: »Wie ein Notar … Ja, ein wenig; aber nicht sehr …«
    Der Kommissar versucht, seiner Stimme einen wärmeren Klang zu geben, indem er leise sagt: »Varela, glauben Sie eigentlich, dass ich Ihnen eines Tages an die Gurgel gehe oder was?«
    Varela kann eine Handbewegung Richtung Kehle kaum unterdrücken: »Nein … Das glaube ich nicht …«
    »Und warum antworten Sie mir dann immer so, als hätten Sie Angst vor mir? Ich bin friedliebend, geduldig und manchmal sogar liebenswürdig. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ja … Ja.«
    »Gut, dann wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich das hinter die Ohren schreiben würden. Wären Sie so nett und vergessen es nicht?«
    »Ja, klar.«
    »Gut. Danke.«
    Der Kommissar geht in sein Zimmer, zieht sich das Jackett aus, lockert die Krawatte und krempelt ein wenig die Ärmel des blütenweißen Hemds hoch, das seine Frau ihm am Morgen gebügelt hat. Dann überlegt er es sich anders, legt die Krawatte ganz ab und schlägt die Hemdsärmel bis über die Ellbogen hoch, bevor er sich an den Tisch setzt. Dort beschäftigt er sich weiter mit dem kurzen Gedicht, das Varela für ihn im Internet herausgesucht und dann in großer Schrift ausgedruckt hat.
    ***
    Er hat schon tausendmal über die zwei Strophen nachgedacht und denkt weiterhin, dass manche Dinge zusammenpassen und andere wiederum nicht:
     
    Hábil, astuto, cruel,
    es el noble guerrero,
    oro calza la yegua
    del Señor que en secreto
    rige con voz de mando
    en el Monte Perverso.
    ¡Luz se hard sobre el nombre
    que se expone de lleno
    a quien supla la falta
    en el orden perfecto!
     
    Consejero de diablos
    es el hombre de negro,
    emplear bien sus zarpas
    del león es derecho.
    Rogad al mal romance
    que se torne sereno:
    descubrís que el virrey
    que se esconde en el verso
    ofrendó sacrificio …
     
     
    Geschickt, gewitzt und grausam
    ist der edle Krieger.
    Goldbehuft die Stute
    des Herrn, der im Geheimen
    das Kommando führt
    auf dem Berg der Perversionen.
    Licht leuchte über dem Namen,
    der sich vollständig ergibt,
    demjenigen, der die Lücke ergänzt
    im perfekten System!
     
    Teufelsrat
    ist der Mann in Schwarz,
    Seine Pranken voll einzusetzen
    ist des Löwen Recht.
    Bittet die schlechte Romanze,
    sich aufzuklären:
    um zu entdecken, dass der Vizekönig
    der sich im Vers versteckt,
    ein Opfer dargebracht hat …
     
    Darunter steht ein gewisser Juan de Horlá, wohinter sich kein Pseudonym verbirgt, sondern der volle Name des Eigentümers des Schlachthofs. Varela hat mit Bleistift den Namen der Zeitung notiert, La Gaceta del Horlá, und das Erscheinungsdatum: acht Tage vor dem Fund der Leiche im Schlachthof. Der Kommissar findet, dass es sich nicht richtig gut reimt, zumindest nicht so, wie sich »Hase« und »Blase« reimen. Jeder Vers dürfte aus sieben Silben bestehen, denkt der Kommissar, was ihm von Bedeutung zu sein scheint, aber am Ende geht die Rechnung nicht auf. Zum Beispiel zählt er bei »Hábil, astuto, cruel« sechs, dagegen

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