Im Namen Des Schweins
kommen bei »que se esconde en el verso« sieben heraus. Andererseits findet er es irgendwie merkwürdig, dass ein Gedicht mit Auslassungspünktchen endet. Dadurch sieht es so unabgeschlossen aus. Fast wie ein Rätsel. Außerdem fällt es ihm schwer, den genauen Sinn der Worte zu erfassen, gleichwohl taucht »sacrificio«, »Opfer« auf, und das interessiert ihn. Er schreibt in sein Notizheft: Die Etymologie von »sacrificio« nachschlagen. Fürs Erste beschließt er, sich auf die oberen sechs Verszeilen zu konzentrieren. Er schreibt in sein Notizheft: »Es gibt einen edlen Krieger, der gewitzt und grausam ist sowie einen ›Señor‹ (Großbuchstaben), einen Herrn, der auf einem Berg der Perversionen (mit Großbuchstaben) regiert. Es ist ihm nicht ganz klar, ob der edle Krieger und der groß geschriebene Herr ein und dieselbe Person sind. Etwas anderes passt ebenso wenig ins Bild: Was bedeutet es, wenn eine Stute auf Gold läuft? Dass der Herr reich ist? Der Kommissar beginnt sich nach Puértolas zu sehnen und dessen Wissen über Großbuchstaben und Kleinbuchstaben. Wir werden sehen, denkt der Kommissar: Es geht darum, so zu assoziieren wie ein Psycho. Das kann ja nicht so schwer sein … Der Herr mit den Großbuchstaben könnte der Teufel sein. Das würde dazu passen, dass er auf einem Berg der Perversionen regiert. Wenn man bedenkt, dass die Dichter die Dinge mit Anspielungen beim Namen nennen, könnte dies auch gut die Hölle sein. Aber wenn seine Stute auf Gold läuft, dann wäre es doch eher Gott, der durch die Himmel reitet, oder? Das Gold wären dann vielleicht die Sonnenstrahlen, über die seine Stute galoppiert?
Das Symbol der Sonne, eines vor Gold strahlenden Kreises, bringt den Kommissar auf ein interessantes Bild, auf das sich die Metapher gut beziehen könnte. Von wegen Gott und Teufel: Mit einem Mal ergeben die ersten sechs Verszeilen Sinn.
Er schaut sehr zufrieden auf die Uhr: fünf vor elf. Um elf ist er mit Quique Aribau verabredet, dem Schriftsteller. Sein Instinkt sagt ihm, dass der Besucher auf die Sekunde pünktlich sein wird. Daher packt er das Gedicht weg und wartet lediglich darauf, unten vom Empfang verständigt zu werden. Sein Blick schweift über die Wäsche der illegalen Immigranten. Das Telefon klingelt genau eine Minute nach elf.
»Ja …«
»Kommissar«, sagt die Stimme des diensthabenden Beamten im Erdgeschoss, »hier unten steht eine Person bei mir, die sagt, sie heiße Quique Aribau und sei mit Ihnen verabredet. Bei der Überprüfung hat sich aber ergeben, dass in seinem Ausweis ein anderer Name steht. Der Mann hier beharrt: Er sei Schriftsteller und Sie würden ihn unter seinem Pseudonym kennen. Verpasse ich ihm einen Tritt in den Hintern oder lasse ich ihn durch?«
»Nein, lassen Sie ihn hochkommen … Nehmen Sie seine Personalien auf und lassen Sie ihn in mein Büro bringen.«
Zwei Minuten später öffnet Varela die Tür. Hinter ihm taucht ein Typ auf, der etwas über dreißig sein dürfte, eher breit ist als hoch, bereits nahezu keine Haare mehr auf dem runden, fleischigen Kopf hat, mal abgesehen von den buschigen, schwarzen Augenbrauen. Nicht einmal die Kleidung sieht aus wie man sich die eines Schriftstellers vorstellt. Der Kommissar dachte immer, die seien alle schlank und wohldistinguiert. Nichtsdestotrotz erhebt er sich aus dem Sessel und streckt ihm wohlerzogen die Hand hin.
»Kommissar Pujol?«, fragt der Besucher.
»Ja, sehr erfreut.« Er wendet sich an Varela: »Danke, Varela, Sie können sich zurückziehen.« Zum Besucher:
»Nehmen Sie doch bitte Platz …«
»Danke. Entschuldigen Sie das Durcheinander wegen des Pseudonyms. Ich habe vergessen, Ihnen vorher Bescheid zu sagen … Damit habe ich immer wieder Probleme … In Hotels, auf der Post, mehr als einmal konnte ich ein Paket nicht in Empfang nehmen, weil es nicht an meinen richtigen Namen adressiert war … Hier«, er hält dem Kommissar seinen Ausweis hin, »das ist mein Name, aber er verkauft sich nicht gut. Wie Sie sehen, würde der eher Leser verschrecken.«
Der Kommissar liest ihn laut vor und beschließt, sein Gegenüber ein wenig zum Plaudern zu bringen, um sich ein Bild davon zu machen, was für eine Art von Person er ist.
»Och, ich finde, der klingt doch ziemlich gut …«, sagt er.
»Na ja … Für einen Literaturkritiker wäre er ganz passabel, aber für einen Romanautor … Lustigerweise gibt es unter den Journalisten einen gut informierten Mann, der hartnäckig darauf besteht, ihn wie zur
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