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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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Plätzchen, um einen Kaffee zu trinken. Beeindruckend aussehende Sicherheitsleute mit militärischen Mützen und Uniformen schieben unter den Markisen der Apartmenthäuser Wache. Hinter den Glastüren der Eingänge stehen überall goldgerahmte Täfelchen auf einem kleinen Dreifuß, auf denen darauf hingewiesen wird, dass unangemeldete Besuche nicht gestattet sind.
    Suzanne hat die Baseballkappe falsch herum auf dem Kopf und macht den Gang und Slang der Rapper nach:
    »Hey, brother, think I better move on ’round here …«
    »Ich hätte nichts dagegen einzuwenden, hier zu wohnen …«, sagt T.
    »Das Stipendium vom Ministerium dürfte nicht ganz dafür ausreichen …«
    »Aber wäre schon nicht schlecht hier, oder?«
    »Ach weißt Du, ehrlich gesagt, gehört eine Wohnung am Upper East Side nicht unbedingt zu meinen größten Träumen. Wenn ich zwanzig Millionen auf den Kopf hauen könnte, würde mir, glaub ich, schon noch ein besseres Plätzchen einfallen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Puh, keine Ahnung … Manchmal träume ich von einem kleinen Häuschen auf dem Lande.«
    »Okay, Little House on the Prairie …«
    »Meinst Du die von Frank Lloyd Wright?«
    T lacht ein bisschen: »Nein … Unsere kleine Farm war eine Fernsehserie. Entschuldige, manchmal vergesse ich, dass zwanzig Jahre zwischen uns liegen …«
    T entdeckt ein Café mit Stühlen auf dem Gehweg gegenüber der Madison Avenue und zeigt dorthin.
    Suzanne nickt zustimmend. Es sieht nett aus, eine Terrasse mit Marmortischchen, die von Zitronenbäumchen eingerahmt werden, in deren Töpfen kleine Italienfahnen stecken. Der Verkehr ist sonntags in den Straßen so ruhig, dass sie bequem die Avenue überqueren können. Sie nehmen an einem der Tische Platz. Suzanne lehnt ihr Bild an einen der Serviettenständer und tut so, als würde sie die Blume gießen. Nach kurzer Zeit kommt ein Kellner mit Fliege heraus, der wie ein echter Italiener aussieht. Suzanne arbeitet sich mühsam durch die ausgefeilte Cafékarte und ringt sich zu einem Espresso machiatto with a dollop of foamed milk durch. T nimmt eine subtile Variante davon: Espresso doppio streamed milk macchiato, von dem er hofft, dass er einem profanen Café cortado am nächsten kommt.
    »Woher willst Du eigentlich wissen, dass es zwanzig sind?«, fragt Suzanne, nachdem der Kellner die Bestellung aufgenommen hat.
    »Wie bitte …?«
    »Dass Du zwanzig Jahre älter bist. Du hast eben gesagt, dass Du manchmal gar nicht merkst, dass wir zwanzig Jahre auseinander liegen …«
    »Ach weißt Du, ich bin dreiundvierzig. Aber glaub jetzt ja nicht, ich wüsste nicht, was sich gehört und würde Dich fragen, wie alt Du bist. Selbst wenn Du ganz offensichtlich in der beneidenswerten Lage bist, nicht um einen einzigen Tag schummeln zu müssen.«
    »Oh, wir wollen mal Deine guten Manieren nicht überstrapazieren: Ich bin vierundzwanzig, also gerade mal neunzehn Jahre jünger als Du.«
    »Was für eine Erleichterung: nur neunzehn Jahre … Als Du bereits am Fläschchen getrunken hast, war ich noch nicht mal mit dem Wehrdienst fertig … Entschuldige: Weißt Du was ›Wehrdienst‹ ist? Früher haben sie uns in Spanien dazu verpflichtet, sich eine Weile als Soldat zu verkleiden …«
    Gespielte Empörung bei Suzanne: »Danke für die Belehrung, aber ich weiß sehr wohl, was Wehrdienst ist.«
    Pause. »Komisch, Du wirkst auf mich gar nicht viel älter, echt nicht …«
    »Du hast mich ja auch noch nicht ohne Gebiss und Perücke gesehen …«
    »Dann ist es ja so ein bisschen wie mit Irland, auch das ließe sich leicht ändern …«
    T gewinnt zusehends den Eindruck, dass Suzanne ganz unbefangen mit ihm zu flirten beginnt. Je länger sie zusammensitzen, desto mehr übernimmt er den Part des Clowns: ohne mit Gesten, Mimik und Scherzen zu geizen. Sie wiederum überlässt ihm die Rolle wohl auch deswegen, um sich besser aufs Beobachten verlegen zu können. In gewisser Weise ist es aber auch eine Hommage an seinen Genius, der sich dabei entfaltet wie der Federschmuck eines Pfaus. Die Zeit scheint gekommen, seinem Sinn für Humor freien Lauf zu lassen
    Nach dem Café geht es auf einer der Siebziger weiter Richtung Westen. Sie genießen, fast ohne zu reden, noch ein wenig das gute Wetter und die leeren Straßen.
    T geht in einen Deli, um Zigaretten zu besorgen und begeht den Fehler, sich dabei die voluminöse Sonntagsausgabe der Times zuzulegen. »Damit tapeziere ich mein Hotelzimmer«, sagt er zu Suzanne. Als sie wieder im Park sind,

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