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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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finden, ist gar nicht so einfach … Nach und nach steckt einen die Kälte der Stadt an, die Leute sehen hier doch alle aus, als hätten sie einen Panzer um sich herum«, sagt sie, »wie ein Krebs, der nicht offen ist für Begegnungen.«
    T geht mit ihren Gedanken mit: »Und wie sind die Leute in Irland?«
    »Puh, ganz anders: Laut, warm, offen …«, dabei sieht sie aus wie eine lebenslustige Biertrinkerin. »Vor allem in der Republik, drüben sind sie ein bisschen mehr British, sogar die Katholiken, aber selbst die sind noch ganz anders als die Leute hier.«
    »Und wo liegt Sligo? In der Republik?«
    »Ja, an der Atlantikküste …«
    »Wie schön, dass Du nicht besonders British bist. Weißt Du, was mir noch an Dir gefällt? Dass Du die Zetas richtig aussprichst. Wenn ich mit Dir rede, habe ich das Gefühl, zu Hause zu sein.«
    »Viele neue Freunde habe ich hier auch noch nicht gefunden, weißt Du … Also, da wäre Deby: die Dame von der Rezeption …«
    Nächster Themenwechsel? Womöglich …
    »Die aussieht wie Diane Keaton?«
    »Ja, die ist mal hübsch und erst nett, nicht? Halbe Australierin, aber abgesehen davon, dass wir manchmal schnell zusammen Mittag essen gehen, haben wir uns noch nie außerhalb des Instituts gesehen.«
    »Und Deine Mitbewohnerinnen?«
    »Beides Amerikanerinnen, die eine kommt aus New Jersey und die andere aus Vermont, aber die beiden kamen direkt nach der Schule hierher. Man könnte meinen, die kommen von hier. Ich sehe sie kaum, meistens schlafen sie irgendwo anders, manchmal bei Typen, die sie gerade erst kennengelernt haben … Deshalb essen wir jeden Sonntag zusammen, damit wir zumindest die Sachen besprechen können, die unsere Wohnung betreffen: Putzen, Einkäufe …«
    Die beiden haben ihre Zigaretten zu Ende geraucht.
    T hüpft von der Zinne und macht ein paar Schritte nach vorn: »Dann könnten wir ja so was wie ein spanisch-irisches Bündnis schließen und das Ganze mit einem Gläschen besiegeln … Was hältst Du davon?«
    »Ich hätte Lust auf einen Kaffee. Hattest Du nicht am Telefon gesagt, Du willst mich auf einen Kaffee einladen?«
    »Gibt’s hier irgendwo einen guten Espresso? Für heute habe ich schon genug von dem anderen getrunken.«
    ***
    Als sie von der Burg aus hinuntergehen, durchqueren sie den Park der Breite nach und kommen auf der anderen Seite auf der 79. heraus. Dort stöbern sie vor dem Metropolitan ein Weilchen an den Ständen mit Malerei. T entdeckt ein paar kleine Aquarelle, Originale, für dreißig Dollar das Stück. Er sucht eins davon aus, eine geometrische Blume in verschiedenen Rottönen. Entfernt ähnelt sie einer Rose.
    »Für Dich«, sagt er und übergibt sie feierlich an Suzanne. »Du musst sie übrigens nicht gießen.«
    Mit zurückhaltender, lediglich leicht gespielter Überraschung nimmt Suzanne sie entgegen: »Oh, vielen Dank … Die ist schön.«
    Als sie das Bild in beiden Händen hält, tut sie mit geschlossenen Augen so, als würde sie genüsslich ihren Duft einsaugen. Der Verkäufer, gleichzeitig der Künstler, möchte, als T bezahlt, alles Mögliche über die beiden wissen: woher sie kommen, ob sie sich für Malerei interessieren, ob sie sich länger in der Stadt aufhalten … Durch die mehrdeutigen Antworten, die T gibt, hält der Mann sie für Touristen, ein Pärchen auf Reisen, und erkundigt sich danach, ob sie Kinder haben.
    »Not yet«, antwortet T und lächelt Suzanne an. Wenn dies der Eindruck ist, den sie auf den Mann machen, dürfte er an ihrer Seite, ist er sich für Augenblicke sicher, gar nicht so viel älter aussehen als sie. Außerdem hat die Unterhaltung auf der Zinne das letzte Eis zum Schmelzen gebracht. Mittlerweile fühlt es sich bereits so an, als würden sie sich schon ewig kennen. T genießt, dass sie nicht mehr pausenlos drauflos reden, um den stillen Momenten aus dem Weg zu gehen. Eine gewisse Natürlichkeit, ein stillschweigendes Einvernehmen hat sich breit gemacht, wenn sie nebeneinander herlaufen, so dass jeder hier und da stehen bleiben kann und sie dennoch einer aufeinander abgestimmten Choreografie folgen. In zwei, drei Situationen berührten sie sich am Arm oder an der Schulter oder steckten die Köpfe zusammen, um sich über irgendetwas zu beugen, ohne die Verhaltenheit, mit der man zu anderen Gelegenheiten Distanz wahrt: in der U-Bahn, in einem Laden oder sogar unter Freunden.
    Nachdem sie den Maler an seinem Stand zurückgelassen haben, laufen sie Richtung Park Avenue auf der Suche nach einem ruhigen

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