Im Namen Des Schweins
Samstag nicht mehr rasiert?«, bringt sie schließlich heraus.
Der Kommissar nickt und streicht sich über das stoppelige Kinn: »Ich dachte, Du sagst bestimmt Nein, wenn ich vorher mit Dir darüber spreche. Ich wollte mal was Neues ausprobieren … Wenn es Dir nicht gefällt, rasiere ich es augenblicklich wieder ab.«
Stille. Prüfender Blick: »Der Haarschnitt ist nicht schlecht, aber dass da unten muss doch stacheln, nicht?«
Sie geht zu ihm, streicht zuerst mit dem Handrücken übers Gesicht, packt ihn dann am Revers, um ihm besser über die Wange streichen zu können.
»Und wie das stachelt …«
»Wenn die Haare erst ein bisschen länger gewachsen sind, pieken sie überhaupt nicht mehr, weißt Du, wie beim Schnurrbart auch …«
»Du siehst wirklich gut aus, jetzt noch eine andere Brille … Aber dann brauche ich natürlich auch eine neue Frisur …«
»Also, kann ich so bleiben?«
»Lass doch ein paar Tage mal alles so, bis ich mich daran gewöhnt habe, und dann schauen wir, ob es wirklich nicht mehr stachelt …«
Der Hauptkommissar, der sich so gern einmal als Gangster verkleiden würde, geht bester Stimmung ins Schlafzimmer, »Hallo, Garfield«, er nimmt die Brille ab und betrachtet eingehend die Augen von Boris Karloff im Spiegel des Toilettenschranks.
Im Paradies
Um Punkt fünf, nachdem er kurz im Hotel war, sich die Hände gewaschen und sich umgezogen hat, steht T entspannt, adrett und makellos vor dem Institut. Da taucht schon Suzanne auf, inmitten einer Lawine aus Büroangestellten mit Anzügen und Krawatten.
»Na, was hast Du heut Nachmittag noch so getrieben?«, fragt sie.
»Gemerkt, dass ich nicht aufhören kann, an Dich zu denken«, antwortet er.
»Ja, ja … das sagst Du jeder …«
»Nein, nur denen, die mich verrückt machen.«
Als sie eher ziellos die Lexington entlang schlendern, denkt T darüber nach, wie sie die Zeit besser nutzen könnten. Zu dieser Tageszeit einfach herumzuspazieren, während alle Welt hektisch durch die Gegend flitzt, fühlt sich komisch an. Er fragt Suzanne, ob sie einen Plattenladen in der Nähe kennt, der mit Folk und Blues ganz gut sortiert ist. Sie schlägt Tower Records vor und meint sich an eine Filiale am Broadway zu erinnern auf der Höhe der Soundsosechzigsten. Damit haben sie jetzt ein konkretes Ziel. Um dorthin zu gelangen, müssen sie zur Hauptverkehrszeit einmal quer durchs Zentrum: eine in etwa so leichte Übung wie das Rote Meer zu durchqueren.
Sie wollen das Wunder mit der U-Bahn in Angriff nehmen. Laufen bis zur Grand Central, nehmen einen Shuttle bis Penn Station und steigen in den IRT am Broadway um. Die Wagen Richtung Bronx sind weniger voll, als man hätte meinen können. Auf dem letzten Stück der Strecke finden sie sogar zwei freie Plätze nebeneinander und können sich unterhalten. Suzanne fragt, ob T sich bereits in dem Wirrwarr der U-Bahn-Linien zurechtfindet. Er erzählt von den Schwierigkeiten, die er in den ersten Tagen hatte, und übertreibt dabei wie ein Komiker: von Token, von Locals und vom Express, von Linien, die sich gabeln, von Wagen, die angehängt und abgehängt wurden, und von dem Tag, als er im Finanzdistrikt herauskommen wollte und irgendwo in Brooklyn landete …
Sie tauchen Columbus Höhe 66. wieder auf, Suzanne dreht sich einmal im Kreis, zieht ein Gesicht als wäre sie vom Stamm der Apachen und würde Ausschau halten, dann zeigt sie in die Richtung, die sie einschlagen müssen. Ein Stück weiter im Norden ist schon das Geschäft zu erkennen, das sich hinter einer großen, offenen Glasfassade zur Straße über mehrere Stockwerke erstreckt. Im Eingang sagt Suzanne, dass T selbst fragen soll, wo die Folk-Abteilung ist, um sein Englisch zu verbessern. T geht zu einer farbigen, uniformierten Angestellten und formuliert die Frage immerhin so, dass diese prompt auf die Rolltreppe zeigt: Upstairs.
Während sie hochfahren, fragt Suzanne T, ob er eine bestimmte CD suche. Er antwortet, dass er schauen wolle, was sie von Joe Jackson (dem Bluesman nicht dem Countrysinger) und von Burl Ives haben (diesmal spricht er »Burl« so aus wie die Asiatin im Virgin’s mit eigenwilligem Vokal und als würde die Zunge sich am Wortende rollen). Als sie die Namen hört, ist Suzanne überrascht. Sie kennt sie noch aus ihrer Kindheit. Vor allem ein Lied: Big rock candy mountains. T stimmt den Refrain an, Suzanne hängt eine Strophe dran und sieht dabei aus wie ein kleines Mädchen mit Schleifchen und Zöpfen … Sie haben die
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