Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
meisten glauben – eine vibrierende Sphäre aus opulenten Farbströmen und pulsierenden Energiewirbeln.
Gedanken, Gefühle, Musik, Menschen, Tiere, die Natur, unbelebte Objekte – alles besteht aus Energie. Die moderne Physik hat bewiesen, was die alten Mystiker schon seit Äonen wussten. Und dank meiner regelmäßigen Besuche bei Paloma habe ich es am eigenen Leib erfahren.
Meine Mom hatte die Idee, Hilfe bei Daires abuela zu suchen. Mom wusste um ihren beeindruckenden Ruf als Heilerin und wollte herausfinden, ob Paloma die Blindheit, die mich in meiner Kindheit heimgesucht hat, wieder rückgängig machen könne. Doch obwohl Paloma nicht in der Lage war, mir die Sehkraft zurückzugeben, lehrte sie mich den Zugang zu meinem inneren Blick. Nachdem wir zunächst monatelang ohne nennenswerte Fortschritte miteinander gearbeitet hatten, bat sie Auden, sich zu uns zu gesellen, woraufhin alles wie von selbst ging.
Ich werde nie vergessen, wie sie meine Handfläche an einen Lautsprecher legte, den sie an Audens Gitarre angeschlossen hatte. Wie die unglaublichsten Farbexplosionen vor mir auftauchten, kaum dass er die ersten Akkorde angeschlagen hatte.
Auden erzählt oft zum Scherz, dass er sich zuerst in mich verliebt hat. Dass er von mir gebannt war, sowie er zur Tür hereinkam und mich sah, als ich in Palomas Arbeitszimmer auf ihn wartete. Augenblicklich habe er gewusst, dass er irgendetwas Bedeutsames tun musste, um mich zu beeindrucken, also umwarb er mich mit seiner Musik. Ließ all seine Gefühle in die Gitarrensaiten fließen, in der Hoffnung, ich würde erahnen, was er empfand.
Ich weiß nur, dass es funktioniert hat. Seitdem sind wir zusammen.
Ich finde es lustig, dass die Leute mir gegenüber immer betonen, was für ein supersüßer Typ er sei. Als könnte ich das nicht selbst sehen.
Als hätte ich keine Ahnung, dass seine Liebe zu mir in tiefstem Violett schimmert.
Dass bei all seinen Worten ein satter Orangeton mitschwingt.
Und wenn er mich küsst, sprudelt die Luft über vor lauter pinkfarbenen, silbrigen und roten Blasen, die um unsere Köpfe wirbeln.
Erst lange Zeit später fing ich an, auch andere Dinge zu sehen. Und auch wenn es zuerst verwirrend war, erkannte ich bald, dass Lügen immer in einem schmutzigen Gelbton daherkommen, der an den Lippen des Lügners kleben bleibt, selbst wenn sie längst verstummt sind. Ein aufrichtiges Lob dagegen leuchtet hell und silbern und lässt Sender und Empfänger gleichermaßen erstrahlen. Und in den letzten paar Tagen verfolgte ich besorgt, wie Palomas Traurigkeit über Daires und Dace’ Verschwinden ihre gewohnte blau schimmernde Energie zu einem dunklen, trüben Grau werden ließ.
»Ich fürchte, es wird nie wieder wie früher sein, Flower.« Auden stellt den Motor ab und zieht mich so fest an sich, dass sich die Strickmaschen seines dicken Wollpullovers in meine Wange drücken. Seine Stimme ist nur ein Flüstern, und seine Lippen kitzeln mein Ohr, als er sagt: »Aber wir müssen weitermachen. Ob es uns gefällt oder nicht, wir müssen uns daran gewöhnen.« Er küsst meine Schläfe, meine Wangen, meine Lippen.
»Und was ist mit Cade?« Meine Worte klingen gedämpft, aber ich weiß, dass er sie gehört hat. »Was ist, wenn er hier auftaucht? Was dann?« Ich schiebe die Finger unter seinen Pulli und wärme mir die Hand an seiner nackten Haut.
»Mach dir deswegen keine Gedanken.« Audens Lippen streifen meinen Mund. »Keiner hat ihn seit jener Nacht gesehen. Und sollte er trotzdem herkommen, sind wir darauf vorbereitet, nicht wahr?«
Ich weiche zurück und neige das Gesicht gegen seines, sehe mit Erleichterung einen orangefarbenen Strom von seinen Lippen fließen. Er glaubt, was er sagt. Er versucht nicht nur, mich aufzumuntern.
»Dass wir ihn nicht gesehen haben, bedeutet nicht, dass niemand anders ihn gesehen hat.« Mein Tonfall drückt Gewissheit aus, obwohl ich keine greifbaren Beweise habe, um meine Worte zu bekräftigen. »Zumindest möchte ich wetten, dass sein gruseliger Kojote ihn gesehen hat. Und da sein Dad, Leandro, kein bisschen besorgt wirkt, kann ich nur schlussfolgern, dass er ihn auch gesehen hat. Auf alle Fälle dürfen wir nicht vergessen, dass Cade nicht nur ein dämonischer Psychopath ist, sondern auch ein totaler Egoist, der keine Gelegenheit versäumen würde, sich am Unglück anderer zu weiden. Das ist seine größte Freude. Sozusagen Sinn und Zweck seines Daseins.«
Auden will etwas erwidern, wird jedoch durch ein Klopfgeräusch
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