Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
auf die Idee käme, ihr Wort anzuzweifeln.
»Und nachdem du und Lita euch getrennt habt, dachte ich, vielleicht …«
»Hast du einen Zwillingsfimmel? Ist es das?«, fällt er ihr ins Wort.
Sie erstarrt.
»Warst du nicht mal mit meinem Bruder zusammen?«
Sie wendet den Blick ab.
»Ist das deine Art, die Erinnerung an ihn wachzuhalten?«
»Nein.« Sie sieht ihn mit ernster Miene an. »Ich weiß, dass du ganz anders bist als er. Ich erkenne den Unterschied an dir. Du bist dunkler. Gefährlicher. Und es ist genau diese Dunkelheit, die mich anzieht.«
Cades Augen werden zu Schlitzen. Er trommelt aufs Lenkrad. »Pass auf, was du dir wünschst. Du wagst dich auf Terrain vor, das du nicht durchschaust.«
»Sei dir da nicht so sicher.« Sie legt ihm eine Hand auf den Arm. Mit den Fingerspitzen streichelt sie über seine Haut und leckt sich zugleich langsam die Lippen.
So dämlich es auch von hier oben aussieht, von dort, wo Cade sitzt, hat es einen gewissen Reiz.
Seine Miene wird starr. Sein Blick verhangen. Und als ich sehe, wie sich seine Lippen teilen, steht fest, dass er angebissen hat.
Phyre beugt sich näher zu ihm. Leckt sich erneut die Lippen. Lässt sie feucht glänzen. Tropfend nass. Bereit für ihn.
Und ohne zu wissen, warum, kriege ich diesen unglaublichen Drang, sie aufzuhalten, da ich in meinem tiefsten Inneren davon überzeugt bin, dass das kein normaler Kuss ist.
Es ist der erste Schritt dazu, ihn zu töten. Sie wird ihn verführen, ihn angreifbar machen und ihn dann auf eine Art, die er nicht vorhersehen konnte, umbringen, damit sie ihrem verrückten Dad melden kann, dass sie ihren Auftrag erfüllt hat.
Wenn sie Cade tötet, tötet sie Dace. Und das werde ich nicht zulassen.
Sie recken die Köpfe zueinander hin. Kommen sich näher, bis ihre Lippen nur noch einen Atemzug voneinander entfernt sind, doch da breitet der Rabe die Flügel aus und stößt zwischen ihnen herab.
Phyre schreit auf und schlägt wild nach oben aus, doch ihr Schrei wird noch schriller, als ihr ein Büschel glänzender schwarzer Federn vor die Füße fällt.
Cade lehnt sich auf dem Fahrersitz zurück und sieht mich an.
»Anscheinend hat der Rabe etwas gegen dieses spezielle Liebespaar«, sagt er und winkt mir leicht zu, ehe er abrupt aufs Gas tritt und Phyre mutterseelenallein auf der Straße stehen lässt.
Zweiunddreißig
Dace
D aire liegt sanft atmend neben mir, den Kopf in meinem Schoß und die langen Beine ausgestreckt. Ich fahre ihr mit der Hand über die Wange und flüstere leise Worte, die sie nicht hören kann. Im Moment ist sie wie ich. Lebendig und atmend, aber seelenlos. Die wahre Kraft ihrer Energie ist auf eine Reise gegangen, und jetzt muss ich auf Daire aufpassen.
Ich rühre mich nicht von der Rückwand des Schuppens und verfolge, wie Suriel mehrmals den Trailer verlässt und wieder hineingeht. Er wirkt zielstrebig und energisch, doch sein Körper zittert, als hätte er zwei Tassen Kaffee zu viel getrunken.
Nur dass Suriel keinen Kaffee trinkt.
Er lehnt alle Arten von Stimulanzien ab.
Lehnt alles ab, was ein falsches Gefühl der Euphorie erzeugt.
Es gibt nur einen Weg zum Himmel, behauptet er. Und das Zittern seiner Hände, das Beben seiner Knie können nur eine direkte Folge seines irrwitzigen Größenwahns sein. Seiner absoluten Gewissheit seiner erhabenen Sonderstellung in der Welt.
Er ist ein Psychopath, wie er im Buche steht.
Er ist genau das, wogegen er predigt.
Erneut kommt er aus dem Trailer, diesmal mit einer Tasche, die ich von unserer Begegnung in der Mittelwelt wiedererkenne. Er lässt sie auf die unterste Stufe fallen, setzt sich auf die Stufe direkt darüber. Dann steckt er eine Hand hinein, zieht den blutverkrusteten Pflock heraus und hält ihn vor sich hin. Er starrt ihn mit solch entfesselter Bewunderung an, dass ich es sogar von hier aus sehen kann.
Er steckt den Pflock wieder hinein und nimmt stattdessen eine Glasflasche mit einer klaren Flüssigkeit heraus, mit der er sich selbst salbt, indem er sie sich auf Stirn und Kinn tupft.
Weihwasser.
Es wundert mich, dass er nicht in Flammen aufgeht.
Als er sein Ritual beendet hat, schließt er die Tasche, lässt sie auf der Treppe stehen und geht in den Schuppen, wo er einen solchen Krach mit quietschenden Scharnieren, dumpfen Schleifgeräuschen und unheimlichen, sonderbaren Kreischlauten veranstaltet, dass mich die Neugier übermannt und ich mich zu dem schmutzigen Fenster an der Rückwand schleiche, eine Stelle zum
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