Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
Bier und dem säuerlichen Mief von Erbrochenem riecht. Dabei ist das nur der erste Eindruck vom Hintereingang her. Nicht auszudenken, wie es sein wird, wenn wir erst einmal mittendrin sind.
Dace führt mich durch das Küchenlabyrinth. Nachdem er das ganze letzte Jahr hier gearbeitet hat, kennt er sich viel besser aus als ich. Und als wir durch die Doppeltür stoßen, ist es genau, wie er prophezeit hat – um uns herum herrscht das reinste Chaos.
Alles ist voll von Leuten. Ihre Luftrüssel, Tröten, Pfeifen, Kazoos, Rasseln und Tamburins wetteifern schrill mit der Musik der Band auf der Bühne. Unablässig fallen Ballons von der Decke, während Nebel- und Seifenblasenmaschinen aus verschiedenen Ecken ihre Produkte ausstoßen. Nach einem kurzen Rundumblick wird offenkundig, dass das Alkoholverbot für Minderjährige außer Kraft ist und praktisch jeder Gebrauch davon macht. Die Richters nutzen die mentale Schwäche der Menschen aus, wobei Trunkenheit an erster Stelle steht. Sie profitieren von dem ungehemmten, rücksichtslosen und leichtsinnigen Verhalten, das Alkohol auslöst. Man braucht nur einen Drink zu viel zu erwischen, und schon wird man zu einer leichten Beute für die Richters.
»Es ist sogar noch voller als letztes Jahr, wenn das überhaupt geht.« Dace brüllt, damit ich ihn bei dem Krach wenigstens einigermaßen verstehe. »Man könnte glauben, jeder Einwohner von Enchantment wäre hier. Vielleicht sogar ein paar Leute von außerhalb.«
»Warum kommt irgendjemand freiwillig hierher, um das neue Jahr zu begrüßen? Deprimierend ist doch gar kein Ausdruck dafür.« Dace und ich wechseln einen schnellen Blick, dann zerrt er mich durch das unglaubliche Gedränge.
Wir ducken uns unter Konfettiwolken und Luftballons mit aufgedruckten Uhren, die von der Decke fallen wie Hagelklumpen. Kommen an Wänden vorbei, an denen schwarz-silberne Banner ein frohes neues Jahr wünschen, während ein unsichtbarer Projektor das Bild eines Neonkojoten durch den Raum wirbeln lässt.
Es ist der helle Wahnsinn.
Eine derartige sensorische Überfrachtung, dass ich gar nicht weiß, wo ich hinschauen soll. Wahrscheinlich sind wir deshalb schon fast in der Mitte angelangt, als ich unter all den Luftrüsseln und den Leuchtstäben registriere, dass sämtliche Anwesenden Masken tragen.
»Was haben die Leute hier bloß immer mit ihren Masken?«, frage ich und sehe mich um. Im Gegensatz zu den Masken, die am Tag der Toten getragen werden, sind dies keine Schädelmasken, aber sie sind trotzdem aufwendig gearbeitet. Manche sind mit Spitzen verziert, andere haben einen üppigen Federputz, manche sind im Harlekinstil gehalten, andere haben Bänder und bunte Schmucksteine, wieder andere tragen die Form von Schmetterlingsflügeln, andere haben riesige Hakennasen oder Hörner, und wieder andere bestehen aus kleinen Seidenstücken, die lediglich die Augenpartie verdecken.
»Als wenn es nicht schon schwer genug wäre, Phyre und Cade in diesem Gewühl zu finden. Mit den Masken ist es fast unmöglich!«
»Ursprünglich sollten die Masken die Finsternis repräsentieren, die im Inneren wohnt. Dass sie dann bei dem Kuss um Mitternacht abgenommen werden, symbolisiert einen Akt der Säuberung, die Chance auf einen Neubeginn. Aber die Richters haben nicht besonders viel für Traditionen übrig. Sie verfolgen immer nur ihre eigenen, schmutzigen Pläne.« Dace presst mir die Lippen aufs Ohr, eine kurze, aber willkommene Zärtlichkeit. »Eine Maske vermindert die Hemmungen. Was wiederum den beeinflussbaren Zustand steigert, den die Richters herbeizuführen suchen.«
»Alles, was sie tun, verfolgt einen Zweck. Aber wie sollen wir eigentlich unsere Freunde finden, geschweige denn unsere Feinde? Lita meinte, sie wären am gewohnten Platz, aber ich kann nicht einmal sagen, wo das sein soll.«
»Wir finden sie genauso wie immer. Du blendest die Geräusche aus und konzentrierst dich auf das, was du im Bauch längst weißt.« Er greift nach zwei Masken auf einem Tisch und reicht mir eine.
»Hast du vielleicht auch was Unauffälligeres?« Ich mustere die schlichte schwarze Maske, die er sich überstreift und die mir wesentlich lieber wäre als die leuchtend türkisfarbene mit den silbernen und goldenen Federn, die er mir in die Hand gedrückt hat.
»Sie passt zu dir«, sagt er und schiebt sie mir sorgfältig über den Augen zurecht, ehe er mir das Band sachte um den Hinterkopf legt. Dann drückt er mir einen Kuss auf die Wange. »Komm schon, Santos. Mir
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