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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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ihm das Sonnenlicht in die Augen stach, setzte er seine Sonnenbrille auf. Er wollte sich vor den Kameralinsen verbergen. Mit ihren Teleobjektiven konnten die Kameraleute und Fotografen ihn und die anderen in Großaufnahme ablichten. Der Abstand betrug etwas mehr als neunzig Meter. Eine günstige Schußentfernung – ein Aspekt, der die Sicherheitspolizei interessieren sollte. Natürlich standen überall maskierte Figuren auf der Steinmauer um den Friedhof. Ihre einzige gesicherte Funktion war allerdings, daß sie dankbar groteske Motive für die Kamera liefern würden.
    Carl versuchte, ein wenig abseits von den anderen zu stehen, als sie sich um die beiden Gräber formierten. Die Polizeibeamten hantierten mit ihren Tragriemen, und der Pfarrer machte sich für das abschließende Zeremoniell bereit. Carl wollte möglichst frei stehen, damit nicht andere Menschen getroffen wurden, wenn jemand auf ihn schoß; eventuelle Schützen würden vermutlich nicht die geringste Rücksicht darauf nehmen, ob außer ihm noch andere starben. Ihm war jedoch bewußt, daß der Eindruck erweckt werden könnte, er wolle sich von der Gemeinschaft distanzieren. Doch die Aasgeier sollten glauben, was immer sie wollten. Ihm war es wichtiger, eventuelle Verluste so niedrig wie möglich zu halten.
    Er wollte nicht sterben, da er Tessie und Ian Carlos nicht so verlassen wollte, wie Stan und Johanna Louise ihre Eltern verlassen hatten. Furcht empfand er allerdings auch nicht; es war eher eine arrogante Geste, daß er darauf verzichtet hatte, sich zu bewaffnen. Es hätte auf Eva-Britts Eltern erschreckend gewirkt, wenn sie es entdeckt hätten, und außerdem erschien es ihm unpassend, in einer Kirche eine Waffe zu tragen.
    Während der Pfarrer dreimal Sand schaufelte, der knirschend auf die beiden weißen Sargdeckel fiel, gelang es Carl immer noch, sich zu beherrschen. Er fand es beinahe komisch, daß der Pfarrer so eine kleine Schaufel verwendete, wie sie in früheren Zeiten mit einem Feuerhaken neben dem Kamin hing.
    Der schwierige Augenblick kam, als es für einen nach dem anderen an der Zeit war vorzutreten, in die Gräber zu blicken und ein Lebewohl zu murmeln.
    Eva-Britts Eltern waren die ersten. Ihr Vater versuchte, seine Frau zu stützen, die schon hemmungslos weinte, bevor sie das Grab erreichte. Verzweifelt preßte sie zwei rote Rosen aus dem eigenen Garten an sich. Alle außer Carl hatten eine kleine Blume für ein letztes Lebewohl in der Hand. Er war schon lange nicht mehr auf einer Beerdigung gewesen und hatte nicht daran gedacht; Joar Lundwall hatten sie bei dessen Beisetzung schon in der Kirche verlassen.
    Eva-Britts Mutter schaffte es schließlich, die beiden krampfhaft gehaltenen Blumen ins Grab zu werfen, dann beugte sie sich vor, als spürte sie einen scharfen körperlichen Schmerz in sich. Ihr Mann half ihr vorsichtig, zur Seite zu treten. Und dann war es leer da vorn.
    Carl wußte, daß er jetzt an der Reihe war. Er ging langsam, ohne zu humpeln, nach vorn und blickte in die beiden Gräber. Er nahm die Sonnenbrille ab. Er wußte zwar nicht, warum, war aber der Meinung, die beiden nicht durch eine Sonnenbrille ansehen zu können. Er versuchte sich einzureden, daß das Wissen um den Tod jetzt schon zwei Wochen alt war, daß der Schock vorübergehen würde, daß die Trauer allmählich in den Alltag der Trauer überging und keinen Zusammenbruch und keine Tränen mehr forderte. Jenseits der Steinmauer wurden hundert schwarze Kameralinsen auf ihn gerichtet. Es war ein Fest für die Hyänen.
    Er wußte nicht, was er ohne Blume tun sollte. In Uniform hätte er vermutlich eine Ehrenbezeigung machen müssen, was ihm ebenso widerstrebt hätte, wie jetzt ohne eine Blume dazustehen.
    Sein Blick wanderte von Eva-Britt zu Johanna Louise. Kleine Schwärme kreischender Turmschwalben stießen mit einem kühnen Tiefflugmanöver auf den Friedhof hinab, bevor sie steil zum Ziegeldach der weißen Kirche hinaufflogen. Carl erinnerte sich unwillkürlich an Johanna Louises Zahn, den er in der Brusttasche hatte, und da kamen ihm die Tränen. Er konnte sie unmöglich unterdrücken, ob es den Fotografen nun Freude machte oder nicht. Er senkte das Haupt wie zum Gebet und ging langsam davon, auf Eva-Britts Eltern zu. Er achtete immer noch sorgfältig darauf, sich so zu stellen, daß er ein freistehendes Ziel bot. Vorsichtig zog er ein Taschentuch hervor und tupfte seine Augen trocken. Dann setzte er wieder die Sonnenbrille auf.
    Nach der Zeremonie ging die

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