Im Namen Ihrer Majestät
nach Palermo fahre und auf den Straßen herumlaufe?«
»Damit sie auf dich aufmerksam werden und vielleicht den Versuch machen, dich dort zu erwischen, wo sie den Heimvorteil haben? Meinst du das?« sagte Luigi.
»Und wenn es ihnen gelingt, ist das Ganze vorbei?«
»Ja, dann ist alles vorbei.«
»Was passiert, falls es ihnen mißlingt, wenn sie sich als solche Schwächlinge erweisen, daß sie mich nicht mal auf heimischem Boden erschießen können?«
»Dann schießen sie auf deine Mutter, deine Vettern und Cousinen und so weiter«, erwiderte Luigi mit zusammengebissenen Zähnen.
Carl schien in sich zusammenzusinken. Er griff sich an die Seite und massierte sich, ohne etwas zu sagen. Luigi fiel kein vernünftiger Weg ein, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.
»Es wird eine lange Nacht. Wir haben noch viel zu besprechen«, sagte Carl dann in einem resignierten Tonfall. »Was möchtest du trinken, Grappa, Whisky oder etwas anderes? Ich selbst bin gerade dabei, mich zum Schotten auszubilden, und da kommt nur Malt Whisky in Frage.«
»Malt Whisky ist auch für mich völlig in Ordnung. Ich muß sowieso trainieren, Engländer zu werden«, erwiderte Luigi.
*
Durch das Wildgehege bei Stenhamra führten Pfade, auf denen Winterfutter ausgefahren wurde und schnell und einfach Schützen plaziert werden konnten, wenn im Gehege gejagt wurde. Das Gehege war von einem hohen Zaun mit elektrischen Leitungen umgeben, das seit kurzem auch an ein Alarmsystem angeschlossen war. Tessie hatte entdeckt, daß sich das Gelände ausgezeichnet für Spaziergänge eignete. Täglich ging Tessie im Gehege mit dem Kinderwagen spazieren, manchmal zusammen mit dem Kindermädchen, der Tochter einer von Carls Cousinen aus Skåne, die ein Jahr lang ein College in den USA besucht hatte und ein fast perfektes Amerikanisch sprach. Manchmal hatte Tessie auch ihren amerikanischen shrink bei sich.
Sowohl das Kindermädchen als auch der Seelenklempner taten ihr als Gesellschaft gut. Der Psychiater wurde dafür bezahlt, daß er verständnisvoll war und sie ablenkte; Emily das Kindermädchen, war ebenfalls eine vorzügliche Gesellschafterin.
Sie hatte in den USA gewohnt, wenn auch in irgendeinem Kaff mitten in Arkansas. Außerdem wußte Emily viel über die schwedische Oberschicht zu berichten, in die Tessie eingeheiratet hatte, über die Carl aber nie etwas erzählen wollte und die er auch nicht akzeptierte. Emily berichtete, wie es sei, als Mädchen aus gutem Hause erzogen zu werden, man müsse zum Beispiel innere Haltung haben und eine völlig andere nach außen zeigen. Sie vertraute Tessie an, daß Leute aus »guter Familie« einander schon nach einer kurzen Begegnung erkennen könnten, ohne auch nur vorgestellt werden zu müssen. All das war für Tessie ebenso exotisch, als hätte Emily von Liebesritualen auf Bali erzählt.
Tessie genoß die Ablenkung. Sie brachte gelegentlich sogar ein Kichern zustande, wenn Emily drastisch und anschaulich Klatschgeschichten aus Carls Verwandtschaft zum besten gab.
Als Carl mitten am Tag nach Hause kam, rund zwölf Stunden später, als er versprochen hatte, wirkte er zunächst ein wenig müde und überdreht, fast als hätte er in London über die Stränge geschlagen. Doch das hielt Tessie aus mehreren Gründen für undenkbar. Als er für sie einen Lunch machte, gab es Schinken mit Eiern – für Carls Gewohnheiten war das sehr üppig. Er unterhielt sie mit albernen Geschichten über eigenartige britische Vorlieben mit Plastiktüten und anderem Zubehör. Davon habe er in den Zeitungen gelesen, sagte er. Was er eigentlich in Großbritannien getan hatte, verriet er natürlich mit keinem Wort, da Emily anwesend war.
Nach dem Essen wollte Carl schnell mit Tessie allein sein. Nachdem Ian Carlos etwas zu essen bekommen hatte und Emily übergeben worden war, nahm Carl seine Frau zu einer Angeltour mit. Er ruderte langsam am Ufer entlang. Sie saß achtern und hielt eine Rolle mit einer Nylonschnur, eine Schleppangel für Hechte. Es hätte eine idyllische Szene sein können, hätte auf dem Boden des Ruderboots zwischen Carls Beinen nicht das Futteral gelegen, ein weiches, längliches Lederfutteral, das vermutlich nicht zur Angelausrüstung gehörte.
Schließlich fragte sie nach. Carl versuchte erst, das Ganze mit einer Handbewegung als Bagatelle abzutun, aber Tessie blieb hartnäckig. Schließlich erklärte er, von nun an werde ihr Leben so sein müssen. Ein Ruderboot nahe am Ufer sei ein leichtes Ziel. Sie
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