Im Namen Ihrer Majestät
gibt in der Nähe ein kleines Fitneßzentrum mit albernen Treträdern und solchen Dingen im Keller. Der Laden liegt in der Nähe meiner Wohnung. Ich benutze die Dinger, jogge, und so weiter. Im übrigen bin ich Wissenschaftler und Pazifist, der nie Wehrdienst geleistet hat. Außerdem habe ich mich nie an Schlägereien beteiligt.«
»Stimmt das mit der Legende Tony Gianelli überein?« fragte Carl abrupt.
»Ja. Es paßt perfekt. Er war so.«
»Gut!« sagte Carl. »Tu, was dir am geeignetsten erscheint. Sie könnte früher oder später ja tatsächlich eine wichtige Quelle werden. Du mußt nur darauf achten, daß ihr nicht in der Daily Mail landet, denn dann wirst du gefeuert.«
»Zu Befehl«, sagte Luigi mit sichtbarer Erleichterung.
Carl sah auf die Armbanduhr, überlegte kurz und ging dann zum Telefon. Er rief den Empfang an und begann zu erklären, daß er sich die Abreise am späten Abend noch einmal überlegt habe. Er frage, ob sie herausfinden könnten, welche Morgenmaschinen nach Stockholm flögen. Er lauschte kurz der Antwort, machte ein verblüfftes Gesicht, legte auf und setzte sich wieder. Dann hob er sein Glas.
»Weißt du, welche Antwort ich bekommen habe?« fragte er rhetorisch. »Ungefähr so: Sir, als deutlich wurde, daß sie die Verbindung heute abend wohl nicht mehr schaffen würden, habe ich mir die Freiheit genommen, Sie für die SAS-Maschine morgen früh zu buchen. Wenn Sie nichts dagegen haben, Sir, habe ich für morgen früh Ihr gewohntes Frühstück bestellt. Bei diesen Engländern gibt es viele Dinge, die man nicht versteht.«
»Ja«, sagte Luigi zögernd. »Sexverrückte Barbaren und Plastiktütenfreaks einerseits, und dann andererseits die Dinge, die du gerade angedeutet hast. Ein bemerkenswertes Land.«
»Widerliches Essen«, ergänzte Carl.
»Bisher habe ich noch nichts Englisches gegessen«, entgegnete Luigi mit einem vorsichtigen Lächeln. Wegen Carls verschlossener, harter Miene fühlte Luigi sich immer noch befangen.
»Ich finde«, sagte Carl in einem etwas leichteren Tonfall, »wir sollten ein bißchen plaudern. Hast du Lust, mit mir zu essen?«
»Ein englisches Dinner?« fragte Luigi erstaunt.
»Ich fürchte, ja«, entgegnete Carl und ahmte Luigis Tonfall nach. »Wir schaffen es nicht, in die Stadt zu gehen, aber dieses Etablissement hat tatsächlich einen Stern im Guide Michelin, und die Weinkarte war ja recht überzeugend, wie du schon gesehen hast. Was meinst du?«
Kurz darauf rollten Etagenkellner Klapptische aus Edelholz mit Messingbeschlägen herein, die sie mit weißen Tischtüchern bedeckten. Alles war perfekt, bis hin zu den kunstvoll gefalteten Servietten. Carl und Luigi stürzten sich in eine lange, genußvolle Mahlzeit, bei der ihr Mißtrauen gegen englisches Essen schon bei der Vorspeise verschwand. Es bestand aus Variationen von Entenleber, wozu sie einen Elsässer Wein tranken. Das Hauptgericht war gebratenes Lamm in Kräutermarinade, das in jedem besseren französischen Restaurant hätte bestehen können, und dazu tranken sie einen 1982er Chateau Cheval Blanc – gegen diesen Vorschlag hatte Luigi keinen italienischen Gegenvorschlag machen können, was auch Carls leicht zu durchschauende Absicht gewesen war.
Vielleicht war es ebenfalls Carls Absicht gewesen, so viel zu trinken, daß sie persönlicher werden und so der lästigen Gesprächsebene zwischen Chef und Untergebenem entkommen konnten.
Carl erzählte eingehend von seinen Erfahrungen als Undercover-Agent. Er sprach von den Unterschieden des Auftretens unter einer Legende und dem Auftreten unter eigenem Namen, wenn auch mit einem Auftrag, von dem niemand etwas erfahren durfte. Er erzählte von seinem Moskau-Besuch, bei dem er diesen Standström ermordet hatte. Und von seiner Legende als schwedischer Linksextremist auf der Flucht, der sich in Deutschland von westdeutschen Terroristen hatte anwerben lassen.
Zu Luigis Erstaunen verwendete Carl unbeschwert das Wort ermorden, obwohl es in der Sprache der Militärs eine Reihe von Euphemismen für dieses Wort gibt.
Die Erfahrung, die Carl offenbar am unangenehmsten gewesen war, die er aber zugleich für wertvoll und berichtenswert hielt, war die Einfühlung in eine Legende. Eine Zeitlang hatte er sie sich so sehr zu eigen gemacht, daß sein Realitätsgefühl zu verschwimmen begann, daß er glaubte, der zu sein, für den er sich ausgab. Gegen Ende dieses Unternehmens, als die Unterwanderung der Zielgruppe schon längst eine Tatsache war, hatte er manchmal
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