Im Namen Ihrer Majestät
Zelt ab«, erklärte die Herzogin, als sie auf einer langen, knarrenden Treppe das Gepäck ins Obergeschoß schleppten.
»Verzeihung, welches Zelt?« fragte Tessie höflich.
»Also, das ist so!« kicherte die Herzogin. »Angus hatte schreckliche Angst, daß es regnen würde, was in diesem verdammten Land gar nicht so verdammt ungewöhnlich ist, wenn ich das sagen darf. Also hat er so ein türkisches oder vielleicht auch persisches Zelt für die eigentliche Veranstaltung gemietet. Ich lasse Sie eine Weile in Ruhe, und dann können Sie ja auf den Rasen vor der Hütte kommen, dort finden Sie Angus.«
Dann standen Carl und Tessie in einem gigantischen Schlafzimmer und versuchten ihre Verblüffung zu überwinden. Der Raum hatte eine blaue Decke sowie blaue und schwarze Tapeten in einem samtartigen Muster. Auf dem Fußboden lagen persische Teppiche. Das Zimmer wurde von einem Bett und einem offenen Kamin aus schwarzem Eisen und weißgeflammtem italienischem Marmor beherrscht.
Das Bett war etwas ganz Besonderes. Es war aus schwarzem Edelholz geschnitzt und hatte hohe Bettpfosten, die einen schweren Betthimmel trugen. Am Fußende entdeckten sie geschnitzte Amoretten, am Kopfende orientalische Intarsien. Das Bett war riesig, aber es würde für Carl zu kurz sein. Der Bettüberwurf war schwarzgelb in einem Muster, das ein wenig an Tigerfell erinnerte.
»Wir werden uns wohl quer hinlegen müssen«, sagte Carl. Plötzlich fiel ihm ein, daß er immer noch mit dem Kinderwagen im Arm dastand. Er stellte ihn vorsichtig ab.
»Teufel auch, wenn man so sagt«, bemerkte Tessie und äffte das australische Englisch nach. »Dies kann doch wohl nicht die Mutter von Lady Eleanor, neunzehn Jahre und Vorsitzende des Fanclubs des Popstars Fish sein. Dem schwedischen Nachrichtendienst scheinen einige wesentliche Informationen entgangen zu sein.«
Sie verzog bei diesen Worten keine Miene.
»Es hat tatsächlich den Anschein, als hätte der schwedische Nachrichtendienst ein paar wesentliche Dinge übersehen«, erwiderte Carl. Es gelang ihm, zwei Sekunden ernst zu bleiben, doch dann platzten beide heraus.
Tessie tauchte lachend in das imposante, aber zu kurze Bett und prüfte scheinbar kritisch die Federung.
»Hier dürfte schon so mancher Herzog gezeugt worden sein.
Was meinst du, Sailor, wollen wir es auch versuchen?« sagte sie.
»Ich kann dir nur eine kleine Gräfin versprechen«, entgegnete er. Er tat, als nähme er Anlauf, stürzte sich in einem wilden Sprung in die Luft und landete weich mit den Händen an ihren Seiten, während er gleichzeitig den Stoß abfing.
Sie schloß die Augen und spielte einige Sekunden die Ängstliche, bevor sie ein Auge aufschlug.
»Nette Hütte, was?« sagte sie mit australischem Akzent.
Was zunächst ein Scherz gewesen war, wurde schnell Ernst. Sie taten, was Tessie vorgeschlagen hatte. Die Spontaneität übte einen unwiderstehlichen zusätzlichen Reiz aus. Hinzu kam, daß es gerade äußerst unpassend war, wie es in englischem Englisch geheißen hätte.
Carl empfand so etwas wie kindliche Euphorie. Verantwortung, Pflicht, Mäßigung, Takt und guter Ton, Bierernst und Vernunft – vor all dem befand er sich glücklich auf der Flucht. Er fühlte sich wie einmal vor sehr langer Zeit, als er an einem Frühsommertag die Schule geschwänzt hatte. Statt dessen war er Barsche angeln gegangen und hatte dabei dieses rauschhafte Glücksgefühl erlebt, das sich mit der Gewißheit mischte, daß Repressalien folgen würden.
Doch jetzt fürchtete Carl sich nicht vor Repressalien. Als sie am Morgen das Hotel verlassen hatten, war kurz zuvor ein Fax gekommen, das unverkennbar nach Generalstab oder Regierung roch. Carl hatte mit einem Blinzeln dem sich ständig verneigenden, unerhört höflichen und verständnisvollen Empfangschef erklärt, dieses Fax sei leider erst angekommen, nachdem Seine Lordschaft das Hotel verlassen habe.
Im Augenblick befand er sich nämlich in Schottland und spielte Ivanhoe. Von so düsteren Bagatellen wie der Sicherheit des Landes wollte er jetzt nicht gestört werden. All das würde nach seiner Rückkehr, wenn er den Ministerpräsidenten traf, ohnehin unter mehr oder weniger empörenden und mehr oder weniger theatralischen Umständen zu Ende gehen.
Hinterher blieben sie eine Weile still liegen. Sie hielten sich umschlungen und lauschten ihrem Sohn, der in seinem Kinderwagen etwas zu »erzählen« schien. Keiner von beiden wollte etwas sagen, da Worte der Stimmung ein Ende gemacht
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