Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
nach Angola schicken will.«
25
ie Niedergeschlagenheit der Suchenden hatte sich unter den kahlen Zweigen der Pekannussbäume in Freude verwandelt. In Windeseile hatte sich herumgesprochen, dass Peat Moss Baxter unverletzt gefunden worden war. Ein großes Feuer, von Chester Julinot aus dem Windbruch seines Obstgartens errichtet, tanzte in der kühlen Brise. Julinots Frau Annie rührte in einem riesigen Gumbo-Topf. Der Albtraum, der auf der Gemeinschaft gelastet hatte, war vorüber.
Chula nahm die Whiskey-Flasche entgegen, die ihr Clifton Hebert reichte, führte sie an den Mund, nahm einen kleinen Schluck und gab sie an John weiter. Der Alkohol brannte scharf, umso süßer dagegen war die Erleichterung über die Rettung des kleinen Mädchens. Und noch dazu ausgerechnet durch Michael Finley. Der Priester hasste die Sümpfe. Er hasste die Dunkelheit, die Nacht in den Wäldern. Es war die reine Ironie, dass trotz der vielen erfahrenen Jäger, die an der Suche beteiligt gewesen waren, ausgerechnet der Priester derjenige gewesen war, der das Kind gefunden hatte. Aber das war nicht mehr wichtig. Es zählte einzig und allein die Tatsache, dass sie sich in Sicherheit befand und keiner mehr vom loup-garou reden würde. Die Erleichterung war wie ein Kuss, der die kühle Nacht in ein Versprechen auf bessere Zeiten verwandelte.
»Feiern Sie das Wunder«, sagte Clifton zu John. »Trinken Sie auf die Gesundheit des bébé , ja.«
»Auf die gesunde Rückkehr von Peat Moss.« John nahm einen langen Schluck und reichte Clifton die Flasche. »Danke, Mr. Hebert.«
»Wenigstens werden die Menschen sich jetzt nicht mehr vor dem loup-garou fürchten«, sagte Chula und strich Sarah Bastion über den Rücken. Das Kind war auf einer Decke am Boden eingeschlafen, ihre kleine Hand klammerte sich immer noch an Chulas Rocksaum. »Ich hoffe, Adele ist nichts zugestoßen.«
Der abnehmende Mond stand über den Versammelten, der leichte Wind trug den Geruch des Gumbo zu ihnen. Chula lief das Wasser im Mund zusammen. Sie war am Verhungern. Sarah war, ohne über Hunger zu klagen, eingeschlafen, und Chula wusste nicht so recht, ob sie das Kind zu ihren Füßen nun wecken oder weiterschlafen lassen sollte. Die Mutterrolle war doch ungewohnt für sie.
»Praytor jagt noch immer dem Dämon hinterher«, sagte Clifton und setzte erneut die Flasche an. »Er ist ganz allein da draußen. Mit einem Hund vom Gefängnis. ›Dem besten Spürhund im ganzen Bundesstaat‹, sagt er.« Er lachte. »Vielleicht holen ihn sich die Alligatoren mitsamt seinem Hund.« Wieder trank er. »Meine Hunde sind die besten, aber die arbeiten für Praytor nicht, nein. Er hat mir Geld gezahlt, damit er sich die Hunde ausleihen kann, aber sie haben für ihn nicht gejagt. Hat sie mir wieder gebracht, er hat gemeint, sie hätten keine Fährte gefunden.«
Ein Windstoß zerrte an Chulas Jacke, sie zog die Beine unter den Rock und legte über Sarah einen Teil der Decke.
»Von Adele gibt es noch immer keine Spur«, sagte sie. »Sie war so krank. Es ist mir schleierhaft, wie sie draußen überleben kann. Wenn Praytor sie entdeckt, wird er sie töten.«
Clifton sah zum Mond. »Ich dachte, Adele würde zu mir kommen. Bislang ist sie immer gekommen, wenn sie mich gebraucht hat.« Ein weiterer langer Schluck aus der Flasche. »Bernadette, die ist gekommen.« Er verzog das Gesicht. »Ich ruf mal lieber meine Hunde zusammen.« Er übergab John die Flasche. »Behalten Sie sie.« Mit langen Schritten verschwand er in der Finsternis.
»Ich hol uns was vom Gumbo«, sagte John und ging neben Chula in die Hocke. »Alles in Ordnung?«
»Es hat in der zurückliegenden Woche so viel Gewalt in der Gemeinde gegeben. Ich glaube nicht an den loup-garou , aber irgendwas geht hier vor sich. Seit dem Vollmond. Als würde er uns alle verfluchen.« Sie starrte zum Mond hoch, der ihr zuzuzwinkern schien. »John, glaubst du, dass Praytor Adele finden wird?«
John schwieg für einen Moment und dachte nach. »Sie kann nicht ewig da draußen bleiben. Sie ist krank.«
»Er wird sie umbringen.«
»Warum bist du dir da so sicher?«
»Weil Praytor so ist. So kann er zeigen, was für ein ganzer Kerl er ist.«
John ging das Essen holen, und Chula sah ihm nach und dachte an Praytor. Er hatte nicht geheiratet und es bislang vorgezogen, bei seiner Mutter zu leben. Ursprünglich hatte sie ihn für schüchtern gehalten, doch dann hatte ihr gedämmert, dass Praytors Zögern, vor den
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