Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
hörte. Langsam strichen die Scheinwerfer über das Feld und beleuchteten die verschiedenen Gruppen, bis sie selbst sich im Lichtkegel befand und der Wagen stehen blieb. Der Motor wurde abgestellt, Chula hörte zwei Wagentüren, die zugeschlagen wurden. Kurz darauf traten Raymond und Florence in den Schein des Feuers. Es gab Chula einen Stich, als sie Raymonds perfekte Körperhaltung bemerkte, Kummer und Sorgen aber waren ihm tief ins Gesicht gegraben.
»Guten Abend, Deputy Thibodeaux.« John hielt ihm die Flasche hin. »Wollen Sie auch einen Schluck?«
Raymond nahm die Flasche und reichte sie an Florence weiter. »Das lass ich mal lieber.« Florence hielt die Flasche, trank aber nicht.
»Es war eine schwere Zeit für die Stadt.« John bedeutete ihnen, auf der Decke Platz zu nehmen. »Ich muss bald wieder nach Baton Rouge, aber ich würde mich gern mit Ihnen morgen noch unterhalten. Falls Sie Zeit haben.«
Chula warf einen Blick auf das schlafende Kind und stellte das Gumbo zur Seite, bevor sie aufstand. »Es geht um ein Buch über Legenden und volkstümliche Bräuche. Über die Funktion des Mythos in der Gemeinschaft.«
»Ein Buch?« Raymond klang verunsichert. »Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Ich glaube nicht an den loup-garou oder Geister oder Hexen. Wenn Sie darüber reden wollen, bin ich kaum der Richtige dafür.«
»Ganz und gar nicht«, sagte John. »Hören Sie sich doch erst mal an, was ich zu sagen habe. Könnten wir uns so um acht treffen?«
Raymond nickte. »Gut. Im Sheriffbüro. Oder, besser, im Café.«
»Danke. Jetzt hole ich Ihnen beiden erst mal etwas Gumbo. Die Damen sollten etwas essen, bevor sie vor Hunger noch ohnmächtig werden.« John ging zum Gumbo-Topf, doch plötzlich wurde seine große Gestalt von einem weiteren Scheinwerferpaar beleuchtet.
Der Wagen schob sich lärmend zwischen den Versammelten hindurch. Noch bevor er zum Halt gekommen war, warf Joe Como die Beifahrertür auf und lief auf Raymond zu.
»Raymond, kommen Sie! Praytor Bless ist unten an der Section Line Road gefunden worden. Er wurde von einem wilden Tier fast in zwei Teile zerrissen.«
Raymond kam es vor, als würde er von einer unsichtbaren Kraft zurückgehalten. Er lief zu Joes Wagen, aber ihm war, als bewegte er sich in Zeitlupe. Florence wollte ihm nach, trat allerdings in eine Schale Gumbo, deren Inhalt über die Decke spritzte. Chula warf ihren Rock über das schlafende Kind, um es vor dem heißen Eintopf zu schützen. Raymond sah den Schrecken in Chulas Miene und den Schmerz im Gesicht von Florence. Der Lärm der Menge, die zusammengelaufen war, um Joes Neuigkeiten zu hören, drang wie das Röhren eines Motorboots an seine Ohren, dessen Schraube sich im Schilfgras verfangen hatte.
»Ich bring Miss Delacroix nach Hause«, sagte John. Seine Worte rissen Raymond aus der Verwirrung.
»Thibodeaux! Steigen Sie verdammt noch mal in Ihre Karre, und fahren Sie uns nach!« Joe saß bereits wieder auf dem Beifahrersitz seines Wagens.
Raymond drehte sich zu Florence um. »Tut mir leid, dass ich weg muss. Kommst du zurecht?« Damit erwies er seiner Begleiterin die Ehrerbietung, so wie es sich gehörte, und er wollte, dass alle es mitbekamen.
Florence nickte, ihre Überraschung und Freude darüber waren ihr deutlich anzusehen. »Fahr schon. Mr. LeDeux wird mich sicher nach Hause begleiten.«
Er musste auf ihre förmliche Erwiderung lächeln. Bei Florence wusste man nie. Genauso gut hätte sie ihm eine Ohrfeige verpassen können. Er wandte sich an Chula. »Tu alles in deiner Macht, damit das hier nicht aus dem Ruder läuft.«
Joe beugte sich zum Lenkrad hinüber und drückte auf die Hupe. »Raymond, schaffen Sie Ihren Arsch hierher!«
Raymond eilte zu seinem Streifenwagen und schloss sich dem Wagen des Sheriffs an, der durch den Obstgarten holperte und in die Section Line Road einbog. Im Rückspiegel konnte er sehen, wie mehrere Scheinwerfer aufleuchteten. Der Mob, der in jeder Menschenmenge dicht unter der Oberfläche schlummerte, war zum Leben erwacht.
Joes Fahrer, ein Mann, den Raymond von Joes morgendlichen Besuchen im Café kannte, legte ein hohes Tempo vor und schnitt rücksichtslos die Kurven, bis sie die Brücke über den Beaver Creek erreichten. Durch Regenfälle im Norden waren die Gewässer in Iberia angeschwollen, so dass der Bach gefährlich dicht unter der Holzbrücke hindurchrauschte. Erst als sie sie überquert hatten, nahmen sie das ursprüngliche Tempo wieder auf, bis der vordere
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