Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
nieder. Die Schmerzen in seinem Rücken machten sich ständig bemerkbar, unablässig rieben die Knochen aufeinander. Er legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Er hatte Marguerites Wagen gefunden und festgestellt, dass ihre Reifen mit den Spuren in Madames Hof übereinstimmten. Aber er wusste nicht, ob Marguerite oder Bernadette Madame einen Besuch abgestattet hatten, um Adele von dem pilzverseuchten Brot zu geben. Das würde sich erst aufklären lassen, wenn Adele zu Bewusstsein kam. Auch wenn es niemanden interessierte außer ihn.
Seit Stunden wartete er nun bereits auf Neuigkeiten über Adele. John war mit den Gräsern, dem Brot und dem Einmachglas nach Baton Rouge gefahren. Er hatte seine Beziehungen an der Universität spielen lassen und zurückgerufen. Bei dem Pilz handelte es sich tatsächlich um Mutterkorn. Es fand sich häufig in den Gräsern und im Getreide der Dakotas, aber auch in den Südstaaten. Schwerwiegende Halluzinationen neben anderen unangenehmen Nebenwirkungen galten als Folge des Verzehrs. Über einen längeren Zeitraum eingenommen, war er für Rinder tödlich; die Auswirkungen auf Menschen waren bislang nicht untersucht. Es bestünde die Möglichkeit eines wiederholten episodischen Auftretens der Symptome. Verengung der Blutgefäße könnte zu einer Form von Wundbrand führen. Man konnte nicht mehr sagen, als dass die Wirkung mit der Zeit wahrscheinlich nachlassen würde – falls Adele so lange lebte.
Der Coroner hatte Bernadettes Leichnam abgeholt. Bei ihr würde keine Autopsie durchgeführt werden. Die Bastion-Jungen waren auf dem Weg zu ihren Mandeville-Verwandten in New Orleans. Joe hatte sie eiligst abgeschoben, und Raymond musste sich ein Lächeln verkneifen, wenn er daran dachte, wie die kultivierte Familie mit den beiden Rabauken umzugehen gedachte. Die Jungen brauchten Liebe und Disziplin, und er hoffte, es würde sich jemand finden, der ihnen beides geben konnte.
Sich nähernde Schritte auf den Holzdielen rissen ihn aus seinen Gedanken. Clifton Hebert trat auf die Veranda.
»Sie wird doch überleben, sie?«, fragte er Raymond.
»Ich weiß es nicht.« Raymond erhob sich. »Es steht auf der Kippe.« Er zögerte. »Bernadette ließ mir keine andere Wahl.«
Clifton sah hinaus zum Teche. Er räusperte sich. »Bernadette war eifersüchtig. Auf Adele. Auf Rosa. Das war richtig krankhaft bei ihr. Vielleicht kann sie jetzt Frieden finden.«
»Warum hat sie es getan?«
»Als sich Bernadette auf Henri einließ, da hab ich gewusst, dass schwere Zeiten kommen. Ich hab mit ihr geredet, aber sie wollte nicht hören.« Clifton seufzte. »Henri hat es auf Adele abgesehen, aber sie hat von ihm nichts wissen wollen.«
»Waren die Zwillinge von ihm?«
Clifton rieb sich den Bart. »Adele hat darüber nie was gesagt. Falls ja, hätte ich ihn umgebracht.«
Raymond griff nach den Zigaretten in seiner Tasche. »Bernadette war der Werwolf. Nicht Adele.« Er entfachte ein Streichholz und zündete sich die Zigarette an.
»Praytor war raffgierig, der«, sagte Clifton. »Hat mit Henri gestritten wegen dem Geld für den Alkohol. Henri soll ihn betrogen haben. Ich hab sie gehört. Praytor hat gesagt, er wird es ihm heimzahlen. Henri, der hat nur gelacht, als wäre alles ein Spaß.«
»Diese Informationen wären nützlich gewesen, wenn ich sie früher gehört hätte.« Raymond war zu müde, um Clifton weiter Vorwürfe zu machen. »Praytor hatte also ein Motiv, und Bernadette hatte den Sündenbock: Adele. Sie hasste Adele, weil Henri hinter ihr her war.«
»Adele hat bloß ihre Kinder lieben wollen, mehr nicht, aber das hat Bernadette nie kapiert, die.« Clifton ging zum Rand der Veranda. »Hab mir nie vorstellen können, dass Bernadette Adele was antut.«
»Marguerite hat den Trottel Praytor nur davon überzeugen müssen, dass sie ihn heiraten würde, wenn Henri tot war.« Raymond ging zu Clifton und warf seine halbgerauchte Zigarette fort. Beide sahen zum Teche hinunter.
Clifton zögerte. »Sie nehmen mir doch nicht meine Hunde weg, Sie?«
»Ihre Hunde?« Die Wahrheit blitzte in Cliftons Augen auf. »Der Doc hat gesagt, die Bisse am Leichnam stammen von Tieren. Aber nicht von Wölfen. Bernadette hat sich in der Nacht, in der Henri starb, Ihre Hunde geliehen, nicht wahr?«
Raymond sah es klar vor sich. Henri spazierte die Straße entlang, wie er es immer tat, wenn er sich mit Bernadette getroffen hatte. Nur dass Bernadette ihm diesmal folgte, bis zu der Stelle, wo Praytor mit den Hunden
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