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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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weil es seine Pflicht gewesen war. Er hatte seine Befehle befolgt, hatte getötet, wenn man es ihm aufgetragen hatte, und kein Vergnügen dabei empfunden, wenn die Männer fielen. Bis zu Antoines Tod. Danach hatte ihn das Töten mit Befriedigung erfüllt. Entgegen dem Gebot seines Vaters hatte er mit erbittertem Vergnügen getötet. Und dabei erfahren müssen, dass das Töten nicht die albtraumhafte Bilderflut stoppen konnte, die ihn im Schlaf verfolgte.
    Manchmal hörte er in der Nacht Antoines Pfiff, den schrillen, klaren Ruf eines Falken, der ihr geheimes Signal war. Kay-ie . Der Ton bohrte sich in seinen Kopf. Blut sickerte ihm aus den Ohren, und seine eigenen Schreie ließen ihn aus dem Schlaf hochschrecken.
    Auch Adele fand keine Ruhe. Sie hatte sich in ihren Albträumen verfangen und vielleicht beschlossen, sich vom Fieber auffressen zu lassen. Madame Louiselle hatte angedeutet, Adele könnte mit einem Fluch belegt worden sein. Einem Fluch oder etwas noch Schlimmerem. Ihm kam es eher so vor, als wäre Adele vergiftet worden, aber er hatte keine Ahnung, welcher Stoff solches Verhalten wie ihres hervorrufen konnte.
    Die Frage, die sich ihm dabei vor allem stellte, lautete: warum? Wenn diese Wahnvorstellungen mehr als ein Fiebertraum waren, wer suchte sich dann eine unverheiratete Cajun-Frau, um sie zum Sündenbock für einen abscheulichen Mord zu machen?
    Sollte jemand anders Adele das alles angetan haben, dann würde er ihn finden und dafür sorgen, dass er mit aller Härte des Gesetzes bestraft wurde.
    Er bog auf einen schmalen unbefestigten Weg ein, der durch hoch aufragende Bäume führte. Es gab keine Wegweiser, aber es war der Weg zum Bayou Caneche. Die Fahrspur wand sich, klammerte sich an die höchsten Erhebungen, während die Landschaft zu beiden Seiten eher aus Wasser als aus Erde bestand. Beim kleinsten Regen würde die Fahrspur überflutet werden. Bernadette Matthews lebte hier unter der ständigen Bedrohung, abgeschnitten zu werden – was für viele Cajuns die bevorzugte Lebensweise war.
    Der Weg wurde noch schmaler, Zweige streiften über den Wagen. Die Äste über ihm waren so dicht, dass die Sonne nicht mehr durchdrang und unter den hohen Bäumen kaum noch Unterholz wuchs. Die spröde Schönheit dieser Landschaft ließ ihn anhalten.
    Wenn man geduldig war, traf man vielleicht auf die durch die Sümpfe ziehenden Wildschweine. Wegen der allgemeinen Fleischknappheit griff man für die hier in der Gegend hergestellten Andouille-Würste gern auf die Wildschweine zurück. Es waren ungestüme Tiere, die erst angriffen, bevor sie Reißaus nahmen. Ihre Schnauzen waren mit rasiermesserscharfen Hauern bestückt, und er war an Suchaktionen beteiligt gewesen, bei denen man die Vermissten tot aufgefunden hatte – mit von Ebern durchtrennten Achillessehnen.
    Auch Alligatoren lauerten in Morastlöchern und toten Tümpeln wie jenem rechts von ihm. Auch ihr Fleisch war begehrt. Die Tiere wurden bis zu drei Meter lang und waren so schnell, dass sie sogar Kühe oder Pferde zur Strecke bringen konnten, wenn sich diese zu nahe an sie heranwagten. Wer glaubte, den fünfzehn Zentimeter langen Stummelbeinen der Alligatoren davonlaufen zu können, überlebte meistens nicht, um sich eines Besseren belehren lassen zu können.
    Die Wildschweine und Alligatoren waren von gewissem Wert, von den Wasserschlangen ließ sich das allerdings nicht sagen. Große Mokassins in der Farbe toter Äste rollten sich im Laub oder auf der Erde zusammen und waren nur an ihrem Gestank zu entdecken, den kleine Jungen zu erkennen lernten, sobald sie alt genug waren, um durch die Wälder zu streifen.
    Es gab viele Raubtiere und Gefahren in den Wäldern, aber keine Wölfe. Und sicherlich keinen loup-garou .
    Er fuhr weiter, unsicher, ob er die richtige Abzweigung genommen hatte. Schließlich teilte sich der dichte Wald und gab den Blick auf eine Hütte frei, die auf mindestens drei Meter hohen Pfählen stand. Hinter dem Verandageländer tauchte der Lockenkopf eines Kindes auf, dann ein weiterer. Ein älteres Mädchen saß vor dem Haus auf einer Schaukel, im Schoß ein Buch. Mit ernstem Blick beobachtete sie ihn. Dann trat eine Frau mit Adeles dunklen Haaren und Augenbrauen auf die Veranda und wartete; ihre Miene war weder besonders freundlich noch abweisend. Die beiden Kinder liefen zu ihr.
    Reglos musterte ihn die Frau, als er aus dem Wagen stieg. Erst als er den Fuß auf die Treppe setzte, sprach sie ihn an.
    »Wenn Sie gekommen sind, um

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