Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
über Adele zu reden, hab ich nichts zu sagen. Meine Schwester ist krank und braucht medizinische Hilfe. Sie ist für nichts verantwortlich.«
»Ich bin Deputy Thibodeaux.«
»Das interessiert mich nicht, und wenn Sie Jesus Christus persönlich wären. Ich hab über meine Schwester und mich nichts zu sagen. Ich hab mit meinen Kindern hier alle Hände voll zu tun. Wenn Adele eine weitere Zirkusnummer aufführen und den Namen der Familie noch mehr in den Schmutz ziehen will – von mir aus. Aber ich muss mich um die Kinder kümmern. Um die hier und drei weitere.«
Raymond schätzte das Alter der Kinder. Das Mädchen und einer der Jungen waren alt genug zum Angeln oder Jagen. Dass die Kinder nicht in die Schule gingen, dessen war er sich ziemlich sicher.
»Mrs. Matthews, ich bin Vertreter des Gesetzes. Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen. Können wir uns kurz unterhalten?«
»Erwarten Sie bloß nicht, dass ich Sie höflich ins Haus bitte.« Sie machte auf dem Absatz kehrt, ein Kind hielt sich an ihrem Rock fest, und ging hinein. Überrascht stellte er fest, dass die Tür und die Fenster mit Fliegengitter versehen waren. Etwas, was er nicht erwartet hatte.
Drinnen, in der Ecke am offenen Kamin, standen zwei Schaukelstühle. Auf einem Brett über dem Herd gab es einen Radioapparat und eine Sammlung zierlicher Glasfiguren. Auf dem Boden fanden sich, ordentlich gemacht, Schlaflager für die Kinder. An einer Wand ein Bild von Jesus im Garten Gethsemane, daneben ein Rosenkranz.
»Kinder, geht raus zum Spielen.« Sie wies auf die Tür.
»Kommt Mrs. Bastion heute?«, fragte der älteste Junge.
»Später vielleicht. Um mich zur Arbeit zu holen.« Sie scheuchte sie zur Tür. »Los jetzt. Damit der Deputy so schnell wie möglich wieder verschwinden kann.«
Der ältere Junge nahm seinen Bruder an der Hand und führte ihn nach draußen. Raymond, mit Bernadette allein, setzte sich auf einen der Schaukelstühle.
Bernadette blieb mitten im Raum stehen. »Stellen Sie Ihre Fragen. Ich muss das Abendessen kochen.«
Raymond hatte gehofft, einiges über Adele und das seltsame Verhalten von Bernadettes beiden Schwestern zu erfahren. »Glauben Sie, dass Adele von einem loup-garou besessen ist?«
Sie kräuselte die Lippen. »Ich glaube, meine Schwestern, alle beide, waren schon immer darauf aus, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Seit dem Tag ihrer Geburt haben sie geweint und gejammert und immer alles für sich beansprucht. Rosa hat wenigstens an Gott geglaubt. Aber Adele ist krank. Sie hat ihre beiden Kinder bekommen und dann nicht gewusst, wie sie sich um sie kümmern soll. Sie war schon immer ziemlich wirr.« Sie tippte sich an den Kopf.
Gemächlich schaukelte er in dem Stuhl. Bernadettes Beschreibung von Adele unterschied sich gewaltig von jener von Madame Louiselle. »Wer ist der Vater von Adeles Zwillingen?«
»Sie war immer sehr freizügig mit sich und ihrem Körper. Vielleicht hat einer der Männer, mit denen sie geschlafen hat, sie gebissen und ihr eingeredet, sie wäre ein loup-garou . Adele ist naiv. Männer hatten einen schlechten Einfluss auf sie.« Sie beugte sich vor. »Was nicht heißt, dass sie einen Menschen umgebracht hätte, schon gar nicht Henri Bastion. Sie hat früher mal für ihn gearbeitet.«
»Wissen Sie, mit wem sie sich getroffen hat?« Er zog Notizblock und Stift aus seiner Tasche.
Bernadette holte tief Luft. »Meine Schwester hat mit vielen Männern geschlafen. Henri Bastion hat sie gefeuert, weil sie von einem der Sträflinge, die bei ihm arbeiten, nicht die Finger lassen konnte. Einem Sträfling! Einen anständigen Mann, der sie heiraten wollte, hat sie nicht finden können, also hat sie sich auf einen verurteilten Mörder eingelassen.«
Früher war es gang und gäbe, dass Sträflinge aus dem Staatsgefängnis in Angola als Leiharbeiter eingesetzt wurden. Mittlerweile war dies nur noch mit besonderer Genehmigung möglich. Der Arbeitgeber stellte Kost und Logis und minderte damit die Unterhaltskosten für den Staat. Henri Bastion hatte seit der Vorkriegszeit einen Sträflingstrupp bei sich beschäftigt. »Wissen Sie, wie dieser Mann hieß?«
»Armand Dugas. Adele hat manchmal von ihm erzählt.«
»Und er ist ein Mörder?«
»Hat man mir gesagt. Vielleicht hat er Henri umgebracht und es so hingedreht, als wäre Adele es gewesen.«
»Wo ist Ihr Ehemann, Mrs. Matthews?«
Der Themenwechsel überraschte sie. »Was geht das Sie an?«
»Es wäre hilfreich, wenn Sie die Frage beantworten
Weitere Kostenlose Bücher