Im Netz der Angst
Diese kleine Ausrüstung half ihm dabei, seinen Alltag zu meistern, ohne sich dabei allzu sehr den Bazillen anderer Menschen auszusetzen.
Carl stieg in den Sportwagen und fuhr vom Parkplatz. Ohne Orrin würde es schwieriger werden, sich ums Geschäft zu kümmern. Einen Gleichgesinnten wie ihn würde er nicht wieder finden. Es gab so wenige Menschen von seinem Kaliber, so wenige, die seine Denkweise verstanden und auch noch die Fähigkeit besaßen, das alles in die Praxis umzusetzen. Orrin zu treffen war ein ähnlicher Glücksfall gewesen, wie einen lange verschollenen Bruder wiederzufinden, nur noch besser.
Immerhin hatte er noch Sean. Das war eine Erleichterung, aber Sean war … schwach, er hatte seine Fehler. Carl gab der Mutter des Jungen die Schuld dafür. Von ihm konnte er das jedenfalls nicht haben; Carl stammte von einer langen Linie starker Männer ab. Doch Sean würde die Lücke so lange füllen, bis Carl jemanden gefunden hatte, dem er die Position des Finanzchefs anvertrauen konnte. Mehr aber auch nicht.
Carl verfluchte die Umstände, die zu alldem geführt hatten. Das Schicksal hatte ihm einen harten Schlag verpasst, aber damit würde er klarkommen. Auf sich selbst konnte er immer noch zählen, wenn auch sonst auf nichts.
Er bog in die Straße ein, die in sein Viertel führte. Sarah und Thomas würden bereits mit dem Mittagessen auf ihn warten. Er wusste, dass Sarah das Essen bereits auf dem Tisch stehen haben würde, wenn er zur Tür hereinkam. Sie tat alles, um ihm zu gefallen, und wusste, wie sehr ihn das freute. Sie zu treffen war ebenfalls großes Glück gewesen. Nein, das stimmte so nicht. Er hatte lange nach einer passenden Frau gesucht. Er wollte auf keinen Fall noch einmal denselben Fehler machen wie bei der Heirat von Seans Mutter. Das war eine Katastrophe gewesen. Wahrscheinlich konnte er noch froh sein, dass sie nicht mehr angerichtet hatte, als ihn zu verlassen und Sean mit sich zu nehmen. Die Tatsache, dass Sarah in sein Leben getreten war, hatte Carl sich hart erarbeitet.
Und dann der kleine Thomas. Er musste ständig an ihn denken. So ein niedlicher Junge! Carl setzte große Hoffnungen in ihn. Es war, als hätte er nach Sean noch eine zweite Chance bekommen, bei der er es besser machen konnte. Er hatte aus seinen Fehlern gelernt. Momentan war er zwar immer noch dabei, das Vertrauen des Kleinen zu gewinnen, doch er machte gute Fortschritte, und wie sehr würde sich das später lohnen. Davon war Carl überzeugt. Es war all die Mühe auf jeden Fall wert.
Carl seufzte. Orrin hatte keine zweite Chance bekommen. Dieses Mädchen von ihm war sogar noch verweichlichter und verkorkster als Sean. Carl konnte kaum glauben, was er gestern in dieser Nervenheilanstalt mit angesehen hatte. Er hatte sich extrem zusammenreißen müssen, um nicht vor Taylor zurückzuweichen, die bis oben mit Tabletten vollgepumpt worden war, bis sie nichts mehr mitbekam und nur noch vor- und zurückschaukelte. Carl bezweifelte, dass sie jemals aus diesem Zustand herausfinden würde. Und wenn – wäre sie dann wohl in der Lage, schlüssig wiederzugeben, was in jener Nacht geschehen war? Bei der Kleinen war doch schon seit Jahren eine Schraube locker. Orrin hatte sich das bloß nicht eingestehen wollen, und Stacey hatte versucht, alles unter den Teppich zu kehren. Carl war es trotzdem nicht entgangen. Er spürte solche Dinge. Er fand immer instinktiv heraus, wer zu den Schwachen gehörte.
Heute Nachmittag würde er noch einmal im Whispering Pines vorbeifahren und nach Taylor sehen. Sich vergewissern, ob es ihr besser ging, und vielleicht auch Sean regelmäßig dort vorbeischicken, um ihre Entwicklung zu überwachen. Auf diese Weise wäre er immer darüber informiert, was auf ihn zukam, und konnte alles dementsprechend regeln.
Ja, Sean zu schicken war der beste Weg. Jetzt, da er einen Plan gefasst hatte, fühlte er sich gleich viel besser. Es tat gut, das Ruder fest in der Hand zu haben. Ihm war nie bewusst gewesen, dass es ihn stören könnte, sich die Macht in der Firma mit Orrin zu teilen. Vielmehr hatte ihm die Arbeitsteilung zwischen ihnen beiden zugesagt – Orrin war für die Finanzen zuständig gewesen und Carl hatte sich um alles Technische gekümmert. Allmählich erkannte er jedoch, dass es ohne Orrin vielleicht sogar noch viel besser laufen würde. Selbstverständlich hätte er das niemals laut vor anderen ausgesprochen. Kaum jemand würde ihn verstehen. Aber er selbst kannte die Wahrheit, und das war
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