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Im Netz der Meister 2

Im Netz der Meister 2

Titel: Im Netz der Meister 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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ihr Rock war bis über den Rand der Halterlosen hochgerutscht. Gerald stand zwischen ihren Beinen und strich ihr mit dem Finger über die Annie-Lennox-Frisur. Das geht jetzt ein bisschen zu weit, fand Simone, sagte aber nichts. Und sie ärgerte sich, dass er ihr was ausmachte, dieser heiße Flirt, obwohl sie das doch abgemacht hatten, dass er erlaubt war, ein Flirt und noch viel mehr.
    Sie schüttelte sich kurz, als könne sie die Zweifel an ihrer Entscheidung auf diese Weise loswerden, trank ihr Kölsch aus und bat Leo, sie zu entschuldigen.
    Sie ging in den Nebenraum und sah den Tanzenden zu, beobachtete die Umstehenden und versuchte, die Nicknames auf den aufgeklebten Namenschildchen zu entziffern. Manchmal wunderte sie sich über offensichtliche Schwindeleien, zum Beispiel von Est-Elle: Die war im Forum des HLF an fast jeder Diskussion beteiligt, Simone hatte schon viel von ihr gelesen und kannte auch ihr Bild. Das allerdings schien aus dem vorigen Jahrhundert zu stammen, denn die Est-Elle, die am Nebentisch viel zu laut lachte, war weder schlank noch jung noch langhaarig. Sie war klein, trug ihr speckiges Kinn keck vorgereckt, hatte einen mächtigen Hintern, aus dessen Spalte zwischen monströsen Backen ein Stringtanga auftauchte, man konnte ihn und jede Delle ihrer ausgeprägten Cellulite deutlich unter dem transparenten Tüllrock erkennen. Zudem hatte Est-Elle ihre toupierte Kurzhaarfrisur mit einer opulenten Feder geschmückt. Simone schüttelte den Kopf: Muss man seine Schwachstellen so betonen?
    »Warum schüttelst du den Kopf, was gefällt dir nicht?«, sagte eine Stimme dicht an ihrem Ohr und jemand ergriff ihren Oberarm. Simone drehte sich um und sah zuerst das Namensschild: »Schöngeist«.
    »Kalle! Wie toll, das du da bist! Und Tausendschön, endlich sehen wir uns mal!«
    Sie begrüßten sich herzlich, umarmten sich, küssten in die Luft neben ihren Wangen, und Simone hatte das Gefühl, die beiden schon lange zu kennen. Besonders Ute war ihr sympathisch: eine elegante Frau im perfekt sitzenden Etuikleid, ohne Schmuck, mit dezent geschminkten dunklen Augen und kirschroten Lippen. Ihr Haar war silbergrau, sie trug es kinnlang zum Bob geschnitten. Sie sprach mit ruhiger Stimme und beeindruckte Simone mit ihrer souveränen Eleganz. Kalle war ein breitschultriger Mann mit verschmitztem Blick hinter einer Nickelbrille, die üppige, blond und grau gesträhnte Lockenmähne hatte er in einem Zopf gebändigt. Sein Anzug aus hellbraunem Cord stand ihm ausgezeichnet.
    »Ich hol uns was zu trinken«, sagte er und ließ Simone und Ute allein. Die Frauen kamen sofort ins Gespräch, und nachdem Kalle gekommen war, standen sie zu dritt kichernd zusammen. Sie sprachen über die Leute, die sie aus dem »Harte-Liebe-Forum” virtuell kannten und nun real er kannten, sie lästerten, scherzten und lachten miteinander, als seien sie ewig befreundet. Kalle erzählte aus seinem Alltag als Berufsschullehrer, Ute war Ärztin in einer Fachklinik für die Behandlung von Krampfadern.
    Sie redeten über etliche Themen, aber nicht über SM, bis Simone sagte: »Hey, wir sind auf einem Perversentreffen, müssten wir nicht mal über Praktiken und Neigungen diskutieren?«
    »Haben wir das nötig? Wir sind keine Redner, sondern Macher, oder?«, sagte Ute.
    Simone sah einen Mann mit Glatze am Rand der Tanzfläche stehen. Er hatte ein Buch in der Hand und schien jemanden zu suchen. Das musste Putzlitzer sein. Sie winkte, er sah sie sofort. Er hatte einen Gang wie Bodybuilder, was allerdings nicht zu seiner schmächtigen Figur und dem spitzen Bauch passte. Er blieb vor Simone stehen und blickte aus einer Höhe von etwa 165 Zentimetern zu ihr auf. Sein Atem roch nach Lakritz. Ich werde nie verstehen, wie solche Männchen dazu kommen, sich als dominant zu bezeichnen , dachte Simone. Die Begegnung war kühl. Sie standen neben der Tanzfläche, auf der ungleiche Paare unter Flackerlicht zu den Rhythmen harter Bässe zuckten. Putzlitzer hielt ihr das signierte Exemplar seines Buches entgegen.
    »Nimm, mach schon!« sagte er. Simone bedankte sich und steckte es in ihre Handtasche. Sie wusste nicht, worüber sie mit ihm reden sollte, fühlte sich aber verpflichtet, sich um ihn zu kümmern, weil sie ihn zu diesem Treffen gelockt hatte. Virtuell war dieser Kontakt harmonisch gewesen, hier aber spürte sie deutlich, dass die Chemie nicht passte. Sie nahm ihn aus Höflichkeit trotzdem mit zu Kalle und Ute, die inzwischen einen der wenigen Stehtische

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