Im Netz der Meister 2
ergattert hatten, und stellte ihn vor: »Das ist Putzlitzer, der Schriftsteller.«
Die beiden begrüßten ihn freundlich und erkundigten sich höflich nach seinen Werken. Putzlitzer grinste, zog eine Tüte Katjes aus der Hosentasche und bot sie reihum an. Er schob sich eins in den Mund, offenbar aß er sie den ganzen Tag, denn er hatte davon gelbe Zähne wie ein alter Gaul. Kauend begann er zu erzählen, mit brüchiger Stimme und fliehendem Blick redete er über erotische Bücher, von denen er nur die Klappentexte gelesen und »schon total Bescheid gewusst« habe, über den Literaturmarkt und dessen Ungerechtigkeiten, über eine »nette« Lesung, die er neulich besucht habe und die ihn motiviert hatte, nun endlich auch eine Lesung zu geben. »Auch wenn es für den Künstler viel Arbeit ist und wenig Geld gibt, die Leute wollen einen sehen.« Simone sah, dass Ute die Augen verdrehte und Kalle in die Seite puffte.
»Putzlitzer, tut mir sehr leid, aber wir stehen eigentlich mit meinem Mann und Freunden an einem anderen Tisch und müssen uns da wieder sehen lassen.« Sie wünschte ihm einen schönen Abend, nannte ihn insgeheim einen Schwadroneur und Möchtegernintellektuellen, hakte sich bei Ute und Kalle ein und zog die beiden hinüber in den Thekenraum, um sie Gerald vorzustellen.
Er war weg. Auch Anna war nicht mehr da.
Leo lehnte an der Theke und plauderte mit einer sehr dicken Frau. »Fette Diva« stand auf ihrem Namensschild. »Wo ist denn mein Mann?« Simones Stimme klang schrill, sie merkte es und räusperte sich. Leo zwinkerte ihr vertraulich zu. »Die beiden sind mal frische Luft schnappen.«
»Was soll das heißen?«
Leo grinste, nahm seine Brille ab, hielt sie mit ausgestrecktem Arm von sich weg, setzte sie umständlich und langsam wieder auf. Sein Grinsen wirkte jetzt lüstern. Er sagte nichts. Aus dem Augenwinkel beobachtete Simone, dass Kalle und Ute einen langen Blick wechselten. Auch die fette Diva guckte komisch. Nein, Simone würde sich keine Blöße geben, nicht vor Leo und der Dicken, nicht vor Kalle und Ute, die waren nett, aber es ging sie gar nichts an, dass ihr vor Wut und Eifersucht kotzübel war und dass sie am liebsten alle Gläser, die auf dem Tresen standen, an die Wand gefeuert hätte.
»Verstehe«, sagte Simone so locker, wie sie konnte. Niemals hätte sie ihre Gedanken ausgesprochen: Wie kann er mir das antun, dieser verlogene geile Drecksack? Kaum kommt die erste Schlampe, die leicht zu haben ist und macht ihm schöne Augen, und schon vergisst er alles und verzieht sich mit ihr wasweißichwohin und macht mit ihr weißdergeierwas. Was ist das für ein Weib, diese Scheiß-Anna, oder nennt sie sich vielleicht Zoe, wenn er sie vögelt? Ist sie jetzt gerade mindermasochistisch und personenbezogen devot? Und wieso scheint es Leo ganz egal zu sein, dass seine scheiß-schöne Begleiterin mit meinem Mann verschwunden ist?
Sie plauderte. Tat so, als sei es das normalste der Welt, dass Gerald mit Anna irgendwo war. Versuchte, sich nicht vorzustellen, was er in diesem Moment mit ihr machte, wo er sie anfasste, wie er sie anfasste, ob er sie küsste. Gab sich tolerant, offen, locker. Ute, Kalle, Leo und die fette Diva taten so, als sei alles okay, besonders Kalle gelang es, den Gesprächen eine gewisse Gelassenheit zu geben.
Es war fast Mitternacht, als Simone zum hundertsten Mal auf die Uhr sah. Leo stellte sich neben sie. Sie atmete durch die Nase, als er mit ihr sprach; sein Mundgeruch war noch stärker als vorhin.
»Ihr praktiziert das noch nicht lange, hm?« raunte er.
»Wie bitte?«
»Offene Ehe. Das macht ihr doch, offene Beziehung, oder? Klappt nur selten, ganz selten; da müssen beide mental echt weit sein, damit das klappt.« Er grinste.
»Und bei euch klappt das, ja?« Simone klang schnippisch.
Leo leckte sich über die Zähne, rückte seine Brille, steckte die Hände in die Hosentasche und wippte auf den Zehenspitzen.
»Es gehört zu uns, zu unserm Ritual, weißt du. Ich lass ihr die Freiheit, die sie braucht, verstehst du. Anna ist schon lange bei mir. Sie vögelt oft mit anderen Männern. Sie lässt sich erniedrigen und schlagen. Sie steht drauf, ne Schlampe zu sein, n benutzbares Stück. Sie fragt mich vorher, ob sie’s darf. Ich erlaub’s ihr. Natürlich erlaub ich’s ihr am liebsten, wenn sie sich n verheirateten Kerl aussucht. Die woll’n sie nämlich nur für ne kurze Affäre. So einer nimmt sie mir ja nicht weg.«
Leos Augen waren zu kleinen Schlitzen geworden,
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