Im Netz der Meister 2
Unterhalt vom Exmann bekomme sie nicht, weil er die Kinder ernähre und das Haus abzahle. Arbeit gebe es nicht für sie, sie sei zu alt (45). Sie denke oft, dass sie noch mal von vorne anfangen müsse, und manchmal wolle sie das auch, sei aber zu kraftlos, zu kaputt und zu müde.
Es sei ihr nicht viel geblieben nach einem Leben voller Arbeit, sagt sie, nun sei sie in der Gesellschaft ganz unten angelangt. Keine Arbeit, kein »richtiges« Familienleben, kein reales soziales Umfeld, kein Geld. Schlimmer wäre es wohl nur noch, obdachlos zu sein und bei den Junkies und Säufern im Bonner Loch zu landen.
Sie habe gute Kontakte zu ihren Töchtern, die mit der Trennung relativ entspannt umgingen. Das Problem sei sie selbst, und ihr ständiges schlechtes Gewissen, weil sie die Familie verlassen und somit zerstört habe. Zu ihrem (Ex-) Ehemann habe sie ein ganz gutes Verhältnis, er habe eine neue Partnerin, die jünger, dünner und normaler sei als sie.
Praxis Dr. Armin Wenzel
Chiffre W 23 06 62/ psychischer Befund/ somatischer Befund
Die mittelgroße, etwas nachlässig gekleidete Frau S. ist souverän in ihrem Auftreten und wirkt kompetent und selbstbewusst. Offen und zugewandt berichtet sie anschaulich, humorvoll und voller Selbstironie über ihre schwierige Lebenssituation. Ihr Leidensdruck wird jedoch in den geäußerten Selbstzweifeln deutlich spürbar.
Frau S. ist bewusstseinsklar, wirkt jedoch in Phasen des Gespräches sehr unkonzentriert und fahrig. Störungen von Intelligenz, amnestischen Funktionen, Wahrnehmung oder Denken sind hier nicht erkennbar. Im Antrieb wirkt sie sehr angespannt. Sie berichtet glaubhaft über Mutlosigkeit, Schwunglosigkeit, grüblerische Selbstzweifel, Konzentrationsschwäche und von ihrem Schuldgefühl, die Familie zerstört zu haben. Die Stimmung ist labil mit depressiven Einbrüchen. Keine Hinweise auf akute Suizidalität oder Psychose. Ihre Abhängigkeit vom Nikotin wird ohne jede Beschönigung offen thematisiert.
Somatischer Befund:
Körpergröße 175 cm, Gewicht 80 Kilogramm. Laut Befundbericht von Dr. med. Marita Jahnke, Fachärztin für Allgemeinmedizin, bestehen derzeit folgende für eine Psychotherapie relevanten Erkrankungen: depressive Verstimmung.
3
»Auf keinem Fall ziehe ich schwarz an!« sagte Simone und legte das rote Kostüm neben den braunen Hosenanzug und den blauen Rock aufs Ehebett. Gerald saß im Schaukelstuhl und blätterte in einer Zeitschrift. Er blickte auf: »Warum nicht? Schwarz steht dir doch super!«
»Weil schwarz erstens alt macht und zweitens feige ist und weil drittens mit Sicherheit neunzig Prozent der Frauen schwarz anhaben werden.«
»Verstehe. Wieso ist schwarz feige?«
»Wer schwarz trägt, will den dicken Arsch kaschieren, traut sich nicht zu kombinieren und hat keine Ahnung von Farben.«
Gerald lachte: »So ein Unsinn.«
»Achte drauf, heute Abend werden sie fast alle schwarz tragen, allein schon, weil sie denken, SMler müssen das.« Simone probierte nacheinander den Hosenanzug, das Kostüm und den Rock an. Jedes Mal drehte sie sich vor dem großen Spiegel hin und her und fragte: »Guck mal, wie ist das?« Und jedes Mal sagte Gerald: »Ja! Das ist jetzt aber wirklich toll, Liebes!«
Als Antwort darauf zog Simone sich erneut um. »Du bist unkritisch. Das hilft mir nicht! Wie soll ich mich entscheiden, wenn du immer nur alles gut findest?«
»Du bist für mich eben immer und in jedem Outfit attraktiv!«
Simone verdrehte die Augen und probierte ein helles Mantelkleid an. Ratlos stand sie vor ihrem Schuhregal. »Mist. Zu diesem Kleid hab ich keine Pumps.«
»Natürlich nicht. Dreißig Paar Schuhe und keine passen.«
Sie beachtete Geralds Grinsen nicht. »Weißt du eigentlich, dass meine Oma immer gesagt hat, dass eine Frau sich gar nicht für die Männer anzieht, sondern für die anderen Weiber? Meinst du, das stimmt?« Er zuckte die Schultern und blätterte wieder in seiner Zeitschrift. Simone plapperte, während sie das Kleid auszog und ein graues Tweedkostüm aus dem Schrank nahm. »Für Subbies gilt das natürlich nicht. Jedenfalls nicht für die Hardcore-Subs. Die müssen hohe Schuhe, Rock und Halterlose anziehen, das ist Standardgehorsam. Und Blusen mit Knöpfen, keinen Slip, keinen BH. Zu elegant«, murmelte sie und hängte das Kostüm wieder weg.
»Warum ist das Standardgehorsam?«
»Na, weil sie dann für ihren Herrn immer zugänglich sind. Findest du das etwa nicht gut? Mir immer in den Ausschnitt oder in den Schritt
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