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Im Netz der Meister 2

Im Netz der Meister 2

Titel: Im Netz der Meister 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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irgendwie nicht. Unsere Töchter sind da, sie haben oft über Nacht Freundinnen zu Besuch, und ich hab dann Angst, dass uns jemand hört. Außerdem ist Gerald oft gereizt, wenn er aus der Spedition kommt. Er hat seinen Turn, den er braucht, um abzuschalten: Duschen, essen, Tagesschau gucken, danach sind wir am Computer. Oft wird’s Mitternacht, bis wir nach oben gehen, dann brauchen wir auch nicht mehr anzufangen. Wir haben seit ein paar Monaten das Ikea-Bett aus schwarzem Metall, aber wir benutzen die Gitter kaum.«
    »Ist es für dich sehr von Äußerlichkeiten abhängig?«
    »Nicht nur. Manches klappt im eigenen Haus einfach nicht. Neulich zum Beispiel waren die Mädchen nicht da. Ich hatte alles für eine Session vorbereitet: die Jalousien runtergelassen und Kerzen angezündet, Handschellen und Knebel aufs Kopfkissen gelegt. Das Bügelbrett hab ich mit einem Lacklaken zum Spielzeugbuffet umfunktioniert und darauf alles schön drapiert, Peitsche, Gerte, Seile, Stöcke. Dann hab ich mein Outfit angezogen: Lackrock, Korsage, Halterlose. Fehlten nur die Pumps, die standen unten im Schuhschrank. Als ich sie anzog, dachte unser Hund, wir würden Gassi gehen; der Mistköter sprang mich an und zerkratzte mir mit den Pfoten die teuren Klamotten.«
    Ute lachte laut. »Herrlich! Das ist SM live.«
    »Zugegeben, das klingt heute komisch, aber an dem Tag war ich sauer. Weil immer irgendwas ist: Das Telefon klingelt, es schellt an der Tür, die Kinder kommen früher zurück, Gerald ist müde, ich hab meine Tage.«
    »Dann müsst ihr euch auf Partys ausleben oder in ein Hotel fahren.«
    »Ja, ich weiß. Neulich waren wir in Hamburg. Das war die letzte Session. Danach lief nichts mehr. Und jetzt sind wir wieder bei deiner ersten Frage: Ich suche einen Dom, weil hier kaum was geht und weil ich inzwischen denke, dass SM und Alltag einfach nicht zusammen und miteinander funktionieren.«
    »Und mit der langen Anna hat das nichts zu tun?«
    Simone betonte, dass ihr Anna ganz egal sei. Wirklich.

    Als sie sich am nächsten Morgen in Geralds Profil einloggte, um nach Post von Anna zu sehen, wunderte sie sich, dass sie keine Nachricht fand. Sie versuchte es in seinem Mailaccount. Dort waren alle Nachrichten, die Anna und Gerald sich je geschrieben hatten, verschwunden. Simone stutzte. Hatte Gerald alles gelöscht? Sie surfte auf Annas Profil. Ein neues Bild zeigte sie breitbeinig auf einem Bett liegend. Über ihrem Gesicht lag ein halb transparenter Schleier, die kokett verschränkten Arme bedeckten ihre Brüste. Anna war, Simone sah es sofort, glatt rasiert. Mehr als den blassen Venushügel konnte man allerdings nicht erkennen, denn alles andere wurde von einer weit aufgeblühten Rose verdeckt. Auch den Text ihrer Profilseite hatte Anna geändert, sie zitierte Jakob Lenz:
    Aus ihren Augen lacht die Freude,
    Auf ihren Lippen blüht die Lust,
    Und unterm Amazonenkleide
    Hebt Mut und Stolz und Drang die Brust;
    Doch unter Locken, welche fliegen
    Um ihrer Schultern Elfenbein,
    Verrät ein Seitenblick beim Siegen
    Den schönen Wunsch besiegt zu sein.
    Das galt Gerald, Simone war sich sicher. Sie lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an, obwohl sie im Laden eigentlich nicht mehr rauchen wollte. Sie führte Selbstgespräche: »Der schöne Wunsch besiegt zu sein. Na super.« Das war die Aufforderung zum Tanz. Sie sah in Annas Gästebuch und fand, als hätte sie es geahnt, einen Eintrag von Gerald: »Wir werden lesen, wir werden hören, dann werde ich sehen.« Anna hatte kommentiert: »Wie Sie meinen.«
    »Wie Sie meinen, wie Sie meinen«, äffte Simone den Satz nach und erschrak, als eine Stimme sagte: »Wie bitte?« Sie hatte nicht gehört, dass eine Kundin den Buchladen betreten hatte. Simone fertigte die Frau schnell ab und widmete sich wieder dem Forum. Nagende Eifersucht war ihr Antrieb: Sie wollte spätestens bis zum Feierabend ein Date haben.
    Simone chattete und mailte den ganzen Tag. Kunden, die den Buchladen am Chlodwigplatz betraten, rief sie über die Schulter zu: »Sehen Sie sich ruhig um, Sie melden sich, wenn sie was brauchen, ja?«
    Sie verkaufte sie an diesem Tag kaum etwas, aber sie hatte bis zum Abend zwei Kandidaten in der näheren Auswahl: »König der Sieg« und »Dominus Maximus«.
    Sie kaufte auf dem Heimweg vier Büchsen Erbsensuppe, ein Glas Bockwürstchen und ein Baguette zum Aufbacken, als Nachtisch vier Becher Pudding, packte zwei Flaschen Cabernet Sauvignon in den Korb und beeilte sich, nach Hause

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